Dieter Matz - 2. Quartal 2023


Dieter Matz - Der Blog

Folge 21/2023

Online seit 13.06.2023 


90 Minuten gegen die Ukraine. Und nach fünf Minuten, nein, stimmt nicht,
ich will bei der Wahrheit bleiben, eigentlich von Anfang an habe ich
mich gefragt:


WARUM MUSSTE JOGI LÖW EIGENTLICH GEHEN?


Ich habe hier und Euch zuletzt mal geschrieben: Eine Viererkette des HSV
mit Moritz Heyer, Jonas David, Sebastian Schonlau und Miro Muheim sorgt
bei jeder Zweitliga-Sturmreihe für Angst und Schrecken. Wer es genau
wissen will: Das ist ein Scherz meinerseits. Aber was der Bundes-Hansi
gegen die Ukraine gemacht hat, sorgte bei mir schon vor dem Anpfiff für
Angst und Schrecken. Da spielten die Jungs namens Zopf-Marius Wolf, Nico
Sicherheits-Risiko-Nummer-eins-Schlotterbeck, David Rückwärts-Raum, Leon
Außer-Form-Goretzka und Leroy Ebenfalls-Immer-Noch-Außer-Form-Sane. Und
wenn nicht Timo Werner verletzt gewesen wäre, so wäre wahrscheinlich
auch er mir nicht erspart geblieben. Was ist nur aus unserer einst so
erfolgreichen und glorreichen Nationalmannschaft geworden? Ein
Trümmerhaufen! Okay, wahrscheinlich oder vielleicht hat der Bundes-Hansi
ja auch gar keine große Auswahl mehr, aber diese Jungs müssen es doch
wirklich nicht sein! Dann lieber ganz junge Burschen, die noch heiß auf
Karriere sind, die dafür alles geben, wenn sie den Adler auf der Brust
haben. Hätte er vielleicht sogar ausprobiert, wenn jetzt nicht gerade
die U21-EM vor der Tür stehen würde, das sehe ich ein – aber dieses
Spiel in Bremen!? Es ist und bleibt unfassbar. Das geht gar nicht. Und
wenn ich dazu die verzweifelten Gesichter auf der Trainerbank erlebe –
die gehen auch überhaupt nicht. Ratlosigkeit und Hilflosigkeit pur
entdecke ich da – ich weiß nicht, wie Ihr das seht. Ein absolutes
Armutszeugnis für unseren Fußball, der einst als weltvorherrschend
angesehen war.


Einige meiner Bekannten riefen mich während dieses Trauerspiels an und
fragten, wie es steht, wie ich das Gekicke sehe? Sie hatten einfach
abgeschaltet, weil sie mit dieser Art des Schlimm-Fußballs nichts
anfangen konnten – und wollten. 4,57 Millionen Zuschauer sollen die
peinliche Nummer von Bremen gesehen haben, das ist erschreckend genug.
Und dann das: Rudi Völler, unsere alte „Tante Käthe", inzwischen ja ein
echter DFB-Direktor, sagte nach dem Spiel – und zwar ERNSTHAFT - in
Richtung Bundestrainer Flick: „Natürlich hat die letzte WM auch etwas in
Hansi bewegt, die öffentliche Kritik an ihm war hart, aber er ist gut
damit umgegangen. Er hat sich hinterfragt und hat seine Arbeit neu
justiert." Und: Für Völler ist Flick nach wie vor „ein
Weltklasse-Trainer". Er habe die Kraft, „die Mannschaft und sich selbst
aus dem Tief herauszuziehen". Das gilt auch für die Mannschaft, so
Völler. Er sprach tatsächlich von unserer Nationalmannschaft, als er
sagte: „Die spielerische Klasse ist vorhanden, und die Jungs rackern
auch wieder richtig, sie stürzen sich in jeden Zweikampf. So eroberst du
die Herzen der Fans, so müssen wir auch bei der EM auftreten."

Prost Mahlzeit.

Herr Ober, ich möchte bitte auch das haben, was Rudi Völler
offensichtlich in der Halbzeit eingenommen hat – geht das? Aber vorher
gehe ich mich besser noch etwas neu justieren - man kann ja nie wissen.

Und das mit dem „sie stürzen sich in jeden Zweikampf" muss der Rudi
irgendwie doch ein wenig falsch gesehen haben – Brille Fielmann. Das ist
nämlich kein „Stürzen", das ist lediglich ein kleines, unbeabsichtigtes
und unkontrolliertes Stolpern. Siehe Matthias Ginter vor dem 1:3. Nach
dem Super-Pass von Julian Naiv-Fußballer-Brandt. Mal im Ernst: Der
Blonde vom BVB turnt immer über den Platz, als sei das alles nur die
nebensächlichste Nebensächlichkeit der Welt, und überhaupt: „Fußball ist
ein ganz tolles Spiel, in dem man auch ruhig mal den einen oder anderen
Fehlpass (mehr) spielen darf. Machen die anderen doch auch, wenn man
ehrlich ist – weiß Bescheid?"


Nein, nein, nein, ich könnte platzen, wenn ich ein solches Gestolpere
sehe. Und das alles unter dem Decknamen „Nationalmannschaft". Die
Zuschauer im Weserstadion (heißt das Ding eigentlich noch so?) hatten
den richtigen Riecher, als sie in Halbzeit zwei „Werder, Werder, Werder"
skandierten. Werder hätte es bestimmt besser gemacht, als diese locker
und ohne Durchblick willkürlich zusammengewürfelte Flick-Truppe - die
Flickschusterei-Truppe.


Ich habe mir tatsächlich einmal die Mühe gemacht, meinen
Lieblings-Nationalspieler David Rückwärts-Raum genauer unter die Lupe zu
nehmen. Das ist das Resultat nach 45 Minuten. Raum-greifend: Er spielte
13 Rückpässe (darunter allerdings zwei Einwürfe nach hinten), dreimal
spielte er die Kugel lediglich ein bisschen quer, vier Pässe gab es nach
vorne – einer davon war ein Fehlpass. Ein Torschuss von ihm wurde
gehalten, einer ging daneben. Rückwärts-Raum-Flanken gab es vier, eine
davon flog ins Aus. Vor dem 1:2 vertändelte er an der Mittellinie den
Ball – der Konter führte zum Tor. Zweikämpfe bestritt Rückwärts-Raum
auch: fünf verlor er, einen gewann er! Großartige Bilanz, hoffentlich
wird Rückwärts-Raum auch beim nächsten Mal wieder vom Bundes-Hansi
aufgestellt! Dann vielleicht auch wieder mit Niklas
Hustinetten-Bär-Süle, der diesmal bestimmt nur vergessen worden ist, der
Dicke aus Dortmund muss doch eigentlich spielen. In dieser
sensationellen Truppe, in der alle so vorbildlich rackern.

Ganz nebenbei: Bei Red-Bull Salzburg (unser Leipzig ist gemeint!) sitzt
der Rückwärts-Raum ja schon seit geraumer Zeit auf der Bank, da spielt
der frühere St.-Pauli-Profi Marcel Halstenberg hinten links. Aber
bestimmt auch nur, weil RBL-Trainer Marco Rose gar keine Ahnung vom
Fußball hat. Ganz sicher ist das so. Das muss so sein, denn: Hansi Flick
weiß eben viel mehr über den gepflegten Fußball.

Und noch eine Randnotiz: Ich schickte diese Rückwärts-Raum-Statistik
einem hoch angesehenen Reporter einer renommierten deutschen Zeitung zur
Pause, und ich erhielt eine kurze und knappe und vielsagende Antwort
zurück: „Der Knabe geht gar nicht!"

Meine Frage an alle: Ist Jogi Löw eigentlich noch immer ohne Job?

Aha!


Aber der Bundes-Hansi sitzt ja auch wohl noch fest im Sattel – beim DFB.
Auch wenn es für mich nicht ganz so aussah, wie er das Geschehen in
Bremen beurteilte – denn er sagte: „Wir haben einen Plan, den werden wir
weiter durchziehen."


Immerhin. Einen Plan. Das klingt doch absolut
ermutigend. Oder etwa nicht? Flick sagte weiter: „Die Mannschaft muss
kompromissloser verteidigen." Auch immerhin. Gefahr erkannt, Gefahr
gebannt. Hoffentlich. Und dann sagte er ganz allgemein: „Der Weg, den
wir beschreiten, ist schwerer als normal. Aber: Kopf hoch, es geht
weiter!"Schwerer als normal also. Aber wieso? Und was ist schon normal?
Die spielerische Klasse ist ja doch vorhanden, wie Rudi Völler erkannt
hat. Viele Fans haben diese spielerische Klasse nur noch nicht so
richtig und wirklich ausfindig machen können. Kommt wohl noch.


Kurz noch zum „richtigen" Fußball – zum HSV. Da hat sich Robert Glatzel
nun bis 2026 an den Volkspark gebunden. Herzlichen Glückwunsch! Er hätte
ja bis zu diesem Donnerstag für festgeschriebene 1,5 Millionen Euro
Ablöse aus seinem bis 2025 datierten Vertrag aussteigen können. Diese
Frist ließ er verstreichen und erklärte: „Wir haben nun zweimal unser Ziel
Erstliga-Aufstieg verpasst, aber ich hatte in Hamburg die bisher mit
Abstand glücklichste Zeit in meiner Karriere, ich habe mich in noch
keinem Verein so wohl gefühlt. Mannschaft, Klub, Fans und alles
Drumherum passen für mich perfekt, deshalb freue ich mich sehr, noch
länger hier zu bleiben." Das klingt wirklich sehr, sehr gut. Oder sogar
perfekt. Es scheint tatsächlich so zu sein, wie es die Führungskräfte
immer behaupten: Es passt beim HSV fast alles sehr gut. Und wenn ich
ehrlich bin: Solche lieben Sätze wie die von HSV-Trainer Tim Walter habe
ich noch nie in meinem Leben von einem anderen HSV-Trainer gehört. Nicht
einmal annähernd: „Ich liebe euch alle. Ich liebe meine Mannschaft, ich
liebe die Fans – ich liebe alles und bin stolz, bei diesem HSV zu
arbeiten."

Das muss wirklich Liebe sein! Ganz klar.



Zum Saison-Abschluss allerdings hat es doch noch einen kleinen Misston
gegeben. So stand es jedenfalls in der „Bild". Ich lese zwar weiterhin
keine Zeitungen, darüber hatte ich Euch bereits informiert, aber über
das Handy wird man ja doch mit dem einen oder anderen Satz in Kontakt
gebracht. So auch über diesen: Der ostdeutsche Kult-Trainer Eduard „Ede"
Geyer hat sich in der „Bild" zum HSV geäußert: „Der HSV-Trainer hat nach
dem verpassten Aufstieg gesagt, dass der HSV eine gute Saison gespielt
hätte. Da frage ich mich: Sind die bekloppt? Wären sie aufgestiegen,
dann hätten sie eine gute Saison gespielt. Aber die Hamburger, vor
Jahren mal meine Lieblingsmannschaft, spielen halt gerne in der Zweiten
Liga." Geyer ist inzwischen 78 Jahre alt, und eines wird er ganz sicher
nie mehr: HSV-Trainer. Das, was er gesagt hat, hört HSV-Sportvorstand
Jonas Boldt nämlich nicht ganz so gerne. . . Wobei sich ja auch
HSV-Ikone Felix Magath nach dem verpassten Aufstieg ähnlich über den HSV
geäußert hatte, nur nicht ganz so drastisch wie der „Ede". Aber Felix
wird wohl auch deshalb nie wieder HSV-Trainer werden – oder auch nur
einen ähnlichen Job beim HSV bekommen. Jonas Boldt hat den Klub und
jeden im Klub eben fest in der Hand. Alles hört auf sein Kommando. Nur
der HSV! Auch im fünften Boldt-Jahr. Und: es wäre doch gelacht, wenn das
nicht irgendwann mal mit dem Erstliga-Aufstieg klappen würde.

Mir wäre es allerdings etwas wohler rund ums Herz, wenn ich irgendwann
hören würde, dass der HSV seine Abwehr ein wenig mehr stabilisieren
würde. Die eingangs geschilderte Viererkette kann es doch nicht wirklich
sein, mit der der HSV einen neuen Erstliga-Anlauf startet. Wenn ich so
vom Volkspark ein paar Kilometer weiter südlich denke, so Richtung
Millerntor, dann sehe ich dort (noch, wer weiß was und wer noch verkauft
wird!?) eine richtig gute Abwehr. Ich behaupte einmal, dass kein anderer
Zweitliga-Klub, auch kein Erstliga-Absteiger, eine solch starke
Dreierkette hat, wie die des FC St. Pauli mit Jakov Medic, Eric Smith
und Karol Mets. Da muss der HSV schon noch sehr viel tun, um auch nur in
die Nähe eines solchen Abwehrbollwerks zu kommen. Ich drücke den
Rothosen aber die Daumen, dass sie es erstens erkannt haben, woran es
zuletzt haperte, und dass sie zweitens dann das richtige Händchen für
diese Verstärkungen haben. Aber, aber, ich habe diesbezüglich doch meine
leichten Zweifel.



So, und wenn ich zum Schluss so daran denke, wie sehr die
Nationalmannschaft ihre Fans mit einem dünnen 3:3 „begeistert" hat, dann
muss ich auch an die jüngsten Relegationsspiele im deutschen Lande
denken. Es ist unfassbar, was sich viele Leute, die in die Stadion
hierzulande pilgern, inzwischen herausnehmen. Es ist nicht zum
Aushalten. Bei Wehen Wiesbaden gegen Arminia Bielefeld (4:0) und bei
Unterhaching gegen Cottbus (2:0) drehten jeweils die Gäste-Zuschauer,
ich nenne sie bewusst nicht Fans, regelrecht durch. 20 Minuten und fast
20 Minuten dauerten jeweils die Unterbrechungen, in denen der Ball
ruhte. Und in denen die Polizei den jeweiligen Vereinen zur Hilfe kommen
musste. Es gibt sicher massig Geldstrafen für Bielefeld und Cottbus,
aber mal ehrlich: Ist es damit schon getan?

Es kann damit nicht getan sein, aber es wird sich auch in Zukunft wohl
kaum etwas ändern. Diese Randalierer haben, so habe ich den Eindruck,
längst die Oberhand gewonnen, sie machen im Stadion und auch davor was
sie wollen. Außer Geldstrafen hat der DFB (und die DFL) ja kaum etwas zu
bieten, um eine Umkehr in dieser traurigen Klamotte einzuleiten. Mir tun
die Vereine leid, mir tun die friedlichen Zuschauer leid, die solche
Taten mit ansehen müssen, und mir tut auch die Polizei leid, die sich
solche Auftritte antun muss. Diese Polizei wird übrigens von uns
Steuerzahler bezahlt. . .

Es ist jedenfalls sehr, sehr traurig, was sich derzeit in einigen
deutschen Stadien abspielt, und fast alle sehen nur ohnmächtig zu und
nehmen es hin.

Warum?

Und wie lange noch?



Jetzt aber wirklich: Ich wünsche Euch eine schöne Sommerpause, erholt
Euch gut und bleibt (oder werdet) gesund. Und bitte denkt an den 31.
August, denn dann wollen wir uns ja in der Strandkorb-Manufaktur
Buxtehude treffen – bei Wein, Weib und Gesang hätte ich fast gesagt. Was
da tatsächlich geplant ist, hat Euch hier Stammtisch-Boss Udo Grabner
bereits geschrieben, bitte vergesst nicht, Euch rechtzeitig anzumelden –
es gibt nur begrenzte Plätze.



Alles Gute,

Dieter Matz



Dieter Matz - Der Blog

Folge 20/2023

Online seit 07.06.2023 


Unsere Liebe kennt keine Liga. Das ist die Meinung vieler oder auch nur
einiger HSV-Fans nach dem Relegations-Debakel. In zwei Spielen gegen den
Erstliga-Vertreter VfB Stuttgart gab es ein 1:6. Das spricht Bände. Um
ehrlich zu sein, weiß ich gar nicht, wie und womit ich beginnen soll. Zu
viele Gedanken schwirren mir durch den Kopf. Vielleicht soll ich doch
mit Sportvorstand Jonas Boldt beginnen. Ja, das scheint mir doch ein
guter Beginn zu sein, denn „Witwer Boldt(e)" hat unmittelbar nach der
Niederlage im Volkspark in Bezug auf die nahe Zukunft des Klubs gesagt:
„Selbstverständlich gehen wir mit diesem Trainer in die nächste Saison."
Und Punkt. Boldt wirkte dabei – wie immer, total entschlossen bei seinen
Ausführungen: „Wir haben ein Fundament gebaut, das dem Verein sehr, sehr
gut tut. Das heißt nicht, dass alles perfekt ist, aber es hat eben
vieles richtig gut funktioniert. Wir haben damit 66 Punkte geholt, und
am Ende haben nur Nuancen gefehlt."

Ein Punkt zum Beispiel, nur ein kleines Pünktchen. Aber das Ziel vor dem
ersten Spiel der nun abgelaufenen Saison lautete auch, und zwar von
allen fast vollmundig verkündet: „Wir wollen aufsteigen." Dieses Ziel
ist wieder einmal verfehlt. Für Walter ist es das zweite Mal, Boldt hat
nun schon vier Anläufe gehabt – und es immer noch nicht geschafft.

Klub-Ikone Felix Magath hat zum Thema verpasster Aufstieg bei Sky
übrigens gesagt: „Es scheinen sich alle damit arrangiert zu haben, das
noch es ein weiteres Jahr in der Zweiten Liga gibt – so gut ist die
Stimmung in Hamburg. Es gab Ziele beim HSV, die nicht erreicht wurden,
aber kein Mensch redet darüber. Mir blutet das Herz."

Mir auch, lieber Felix, mir auch.

„Wir sind inzwischen ein normaler Zweitligist." Das hatte Tim Walter
bereits vor dem Spiel im Volksparkstadion gesagt. Um auch eine kleine
Erklärung dafür zu haben, dass es auch im Jahre 2023 wieder nichts mit
dem Aufstieg wird. Boldt und sein Trainer haben moniert, dass die
Relegation ungerecht sei. Der VfB Stuttgart hat einen Saison-Etat von 60
Millionen, der HSV aber „nur" 20 Millionen Euro. Das ist wahrscheinlich
richtig, aber es gibt im heutigen Profi-Fußball viele, viele
Ungerechtigkeiten. Zum Beispiel auch diese: Der Zweitliga-Meister
Heidenheim hat ein Stadion-Fassungsvermögen von 15 000 Zuschauern. Der
Zweitliga-Vizemeister Darmstadt 98 hat dagegen schon stolze 17 500
Zuschauer bei einem ausverkauften Haus. Der HSV darf sich bei einem
ausverkauften Volksparkstadion dann immerhin über 57 000 Zuschauer
freuen. Das ist zwar nur „unwesentlich" mehr als die Konkurrenz, aber es
summiert sich eben. Und auch deswegen hatte der HSV den höchsten
Saison-Etat aller Zweitliga-Klubs. Erkennt Ihr die Ungerechtigkeit? Man
muss da sicher sehr genau hinschauen.

Natürlich war der Unterschied zwischen dem VfB und dem HSV groß. Sehr
groß sogar. Geld schießt nämlich, das wissen wohl hoffentlich inzwischen
alle Fußball-Fans, doch Tore. Aber genau deswegen war es in meinen
unmaßgeblichen Augen auch grob fahrlässig von Tim Walter, in Stuttgart
mit seinem berühmt-berüchtigten Walter-System spielen zu lassen. Keine
Rücksicht auf Verluste, der HSV-Coach wollte dem individuell viel besser
besetzten VfB mit seinen Waffen beikommen – am liebsten auch besiegen.
Wie töricht ist das denn gewesen? Unfassbar. Anstatt auf eine endlich
einmal kompakte Defensive zu setzen, gab es im Ländle das auch von
Experten vielfach hoch gelobte Walter-System zu bestaunen. Und es ging
aus Hamburger Sicht total schief. 0:3 stand am Ende zu Buche, es hätte
auch 0:5 oder 0:6 heißen können. Und plötzlich, nun nach dem Rückspiel,
sagte Walter tatsächlich: „Die Bürde aus dem Hinspiel war zu hoch." Ach
was! Wie wäre es wohl gewesen, wenn der HSV aus Stuttgart nur eine
0:1-Niederlage oder eine 1:2-Niederlage mitgebracht hätte? Dann hätte
der Volkspark eventuell noch mehr gebrannt als an diesem Montag, und
dann hätte der HSV auf jeden Fall eine reelle Chance auf den Aufstieg
gehabt. Etat hin, Etat her. Ich behaupte sogar, dass diese Chance 50:50
gewesen wäre, auf jeden Fall aber wäre es keine zu hohe Bürde aus dem
Hinspiel gewesen.

Wobei mir dazu noch ein kleiner Schwenk aus meiner „Jugend" einfällt. Es
sei mir gestattet: Als ich 29 Jahre alt war, wurde ich Trainer des
Wandsbeker FC, gerade aus der Landesliga abgestiegen (wir schafften den
sofortigen Wiederaufstieg). Mit uns in der Staffel Nord spielten die
Millionaros des Duvenstedter SV. Der hatte Altstars wie Hütten,
Karrasch, Pietzuch und Wessel (für diejenigen unter Euch, die diese
klangvollen Namen noch kennen!) verpflichtet. Trainer war, und nun komme
ich zum Kern dieser Geschichte, mein Freund Bert Ehm. Und der rief mich
fast täglich an – was bis heute beibehalten wurde. Montags nicht selten
mit einer Besonderheit. Auch als Trainer der Regionalliga-Vereine TuS
Hoisdorf und des 1. SC Norderstedt, auch als Coach des VfL 93 oder des
Meiendorfer SV (beide damals in der höchsten Hamburger Spielklasse), um
nur einige Vereine zu nennen. Er wurde nach dem Krieg zum
erfolgreichsten Hamburger Amateur-Trainer. Und fragte mich dann montags:
„Wir haben in dieser Woche ein Testspiel gegen XY. Was würdest du mir
raten: Erst einmal auf Abwarten spielen, etwas defensiver spielen, oder
doch besser gleich vorne attackieren?" Wobei man wissen muss, dass Ehms
Mannschaften damals zwei oder gar drei Klassen höher spielten als der
Testgegner. Was ich aber damit sagen will: Da hat sich ein
Amateur-Trainer sogar vor einem nebensächlichen Testspiel einige
Gedanken gemacht. . .

Leider hat mich Tim Walter vor dem Hinspiel in Stuttgart nicht
angerufen. Das hat er ja auch noch nie getan, selbstverständlich nicht.
Aber wenn er mich hätte sprechen wollen, dann hätte ich ihm gesagt:
„Timmy, du hast die schlechtere Mannschaft, allein wegen der
verschiedenen Etats. Stuttgart wird deinem Team ordentlich einheizen,
der VfB hat von den letzten acht Spielen nur eines verloren – bitte,
bitte stärke deine Defensive, die sonst in dieser Saison ohnehin noch
nie richtig zur Stelle war. Stärke sie ordentlich. Ich will nicht von
Rudi Gutendorf und seinem Riegel sprechen, aber ich würde dir dringend
raten, erst einmal die Null hinten so lange wie möglich stehen zu
lassen."

Was wäre wohl, ich schrieb es bereits, möglich gewesen – nur mit einem
0:1 oder 1:2?

Eines möchte ich auch noch anmerken, zu diesem 0:3. Das erste und das
dritte Tor gab es nach einem Eckstoß. Zwei fast identische Kopfballtore.
Hätte am langen Pfosten jeweils ein Verteidiger gestanden, so wie es
früher einmal Sitte war, hätte es wahrscheinlich kein Tor gegeben, denn
der Abwehrspieler hätte den Ball mit dem Fuß ganz leicht nach vorne
schlagen können. Meistens ist es Sache des Torhüters, das zu
entschieden: Mit oder ohne Verteidiger am Pfosten? Aber ganz sicher hat
auch der Trainer dabei – und gerade bei einem solchen Spiel mit
kopfballstarken Gegnern - ein Mitspracherecht. Darauf wurde aber wohl
verzichtet.


Viele HSV-Fans diskutieren jetzt, ob es nicht doch besser wäre, ohne
Trainer Tim Walter in die neue Saison zu gehen. Ich wäre dafür, einem
neuen Mann die Chance zu geben, das einmal vorweg. Mein Freund Lotto
King Karl hat sich da auch unmissverständlich ausgelassen (bei
ran.de"): „In einer bestimmten Szene hat die Seligsprechung Tim Walters
bereits die Grenzen unseres Sonnensystems verlassen. Er verkörpert einen
Trainer-Typ, der irgendwann nervt und sich verbraucht. Diese Art, den
gegnerischen Spielern die Bälle wegzukicken und 25 Prozent der
körperlichen Energie darauf zu verwenden, den vierten Offiziellen zu
bearbeiten, sagt mir nicht zu. Dieses Verhalten ist anstrengend und
unhanseatisch." Meinen Beifall hast Du, lieber Lotto.



Wobei ich natürlich, oder in diesem Fall „selbstverständlich" weiß, dass
einige von Euch jetzt ein wenig unwirsch reagieren, andere wiederum
werden total toben, einige vielleicht auch nur beifällig nicken. Ich
möchte dazu noch einen weiteren populären Zeitgenossen ins Spiel
bringen: Mario Basler. Ganz sicher nicht mein Freund, ganz im Gegenteil,
er ist für mich genau das Gegenteil eines Freundes. Am Sonntag aber,
beim Sport1-Doppelpass, horchte ich bei Baslers Worten auf.  Als er von
Moderator Florian König gefragt wurde, ob der HSV mit Walter
weitermachen solle, sagte der „Super-Mario" kernig wie immer: „Wenn ich
sehe, wie der an der Außenlinie rumspringt, wenn ich dazu seine
Pressekonferenzen sehe und höre, dann sollte der HSV allein wegen dem
noch in der Zweiten Liga bleiben." Allein wegen dem. Original Basler.
Typisch Basler. Doch wie ich bereits geschrieben habe, ich gebe sonst
(auch) nicht viel auf Baslers Worte.



Aber gut, selbstverständlich will Jonas Boldt mit seinem Kumpel Tim
Walter in die neue Saison gehen, nein, er will nicht nur, er geht mit
ihm. Ich frage mich allerdings, wie das im HSV so abläuft? Entscheidet
das nur ganz allein der Sportvorstand? Also Boldt? Wahrscheinlich ist es
so. Boldt hat das Sagen, kein anderer mischt in diesem HSV noch mit, so
meine Beobachtung. Und wenn da einer irgendwie mal widersprechen will,
dann bekommt er es eben mit dem neuen und bislang ungekrönten HSV-König
zu tun. Siehe Sportdirektor Michael Mutzel, der sich einst von Boldt
nicht an die Kette legen ließ – und gehen musste. Mit einer recht
ordentlichen Abfindung allerdings. Spötter rund um den HSV behaupten ja
zudem, dass sich Jonas Boldt „seinen" Aufsichtsrat, der ihn eventuell
und eines fernen Tages mal bremsen könnte, ganz allein
„zusammengestellt" hat. Und was soll bei einer solchen Konstellation
schon passieren? Selbstverständlich geht es mit dem Duo Boldt/Walter in
die neue Saison! Wahrscheinlich wird sich das Szenario auch wiederholen,
denn Ihr werdet Euch erinnern: Im April noch hatte Walter jedem, auch
denen, die es nicht hören wollten, gesagt: „Wir werden in der nächsten
Spielzeit wieder in der Ersten Bundesliga spielen, wir werden
aufsteigen." Dazu wird er nun auch in der kommenden Spielzeit wieder
verdammt sein. Aller guten Dinge sind drei – für ihn.



Soviel zu soviel. Sportlich möchte ich noch auf eine kleine
Ungerechtigkeit aus dem ersten Relegationsspiel hinweisen. Ludevit Reis
hatte gleich zu Beginn in Stuttgart Gelb gesehen, und dann verursachte
er kurz darauf noch einen Foulelfmeter. Ohne dafür noch einmal Gelb zu
sehen. Schiedsrichter Tobias Welz ließ Gnade vor Recht ergehen, denn ich
habe es höchst selten (eigentlich nie) gesehen, dass ein Spieler, der
einen Elfmeter verursacht, keine Gelbe Karte dafür erhält. So viel zum
Thema Ungerechtigkeiten im Fußball.



Ein, zwei Sätze noch zum Rückspiel: Was Robert Glatzel, Sonny Kittel,
Bakery Jatta und Filip Bilbija in der Schlussphase an Chancen vergaben,
ging schon nicht mehr auf die berühmte Kuhhaut. Aber es ist wie es ist,
der HSV, das wissen wir durch Tim Walter, ist „inzwischen ein normaler
Zweitliga-Klub". Dass Daniel Heuer Fernandes dieser große Klops zum 1:2
passierte, war Pech, aber auch er hat einmal das Recht auf einen solchen
Patzer. Und mal ehrlich, bei diesen tausenden von Rückpässen auf den
Torwart musste das ja mal passieren. Über die ganze Saison gesehen war
Heuer Fernandes für mich der beste Mann des HSV, er hat seiner
Mannschaft besonders in der Hinrunde mit Weltklasse-Paraden oft genug
den Hintern gerettet – ich habe ihm sofort verziehen – Ihr werdet das
sicher auch tun.




Mein Fazit nach dem zweiten Spiel lautet: „Wenn der HSV immer so
gespielt hätte, wie gegen den VfB Stuttgart am Montag in Halbzeit eins,
dann hätten Heidenheim und Darmstadt unter sich ausmachen müssen, wer
Zweiter hinter dem HSV wird. Leider hat der HSV aber genau das nicht
geschafft. Immerhin jedoch hat dieses Spiel gezeigt, dass der Trainer
noch alle seine Spieler erreicht und im Griff hat, anders ist eine
solche sehr gute Leistung nicht zu erklären. Und das spricht
selbstverständlich auch für Tim Walter und seine neuen Saison mit dem
HSV.



Ich gebe zu, dass ich mich mit dieser neuen Liebe zwischen Walter und
den HSV-Fans noch nicht so richtig anfreunden kann, aber das kann ja
noch passieren – ich will das nicht ausschließen. Walter liebt alle und
jeden („Diese Jungs und Mädels nehmen alles auf sich für den HSV") und
sagt es auch mittlerweile in jedes Mikrophon. Der Mann versteht das
Geschäft. Eines aber steht auch fest: Tim Walter und Jonas Boldt haben
es im Verbund mit der Mannschaft geschafft, wieder eine Einheit mit den
Zuschauern zu bilden. Das muss ich anerkennen, das erkenne ich auch an.
Und warum soll es dann nicht auch weiterhin in Liga zwei so großartig
florieren wie zuletzt? Walter sagt dazu auch: „Wir wissen, dass wir eine
gute Basis haben." Und der HSV wird ganz sicherlich auch mehr in seiner
Zweiten Liga gewinnen, als in der Ersten Bundesliga. . .



„Egal was auch passiert". So stand es auf einem übergroßen Plakat in
Stuttgart der HSV-Fans. Soll wahrscheinlich heißen, dass die Fans dem
HSV treu bleiben werden, egal was passiert. Und das klingt gut. Dem
HSV-Anhang gebührt für sein Verhalten in beiden Stuttgart-Spielen ein
Sonderlob. Das war Weltklasse. Was für eine besondere und großartige
Stimmung. Das Spiel am Montag erinnerte mich an die 60-er-Jahre, in
denen es zu den großen Europapokal-Spielen gegen Burnley und dem FC
Barcelona gekommen war. Damals herrschte eine fantastische Atmosphäre im
Volkspark, das war absolut begeisternd – und so war es diesmal auch.
Sensationell, ich würde einen Oscar dafür vergeben. Ich frage mich aber
auch, warum nicht immer so? In der vergangenen Woche gab es wieder
einmal eine saftige Geldstrafe für den HSV – Pyro-Technik beim
Braunschweig-Spiel. 92 000 Euro werden dem Klub diesmal nur abverlangt,
allerdings sind davon sogar 31 300 Euro in sicherheitstechnische und
infrastrukturelle Maßnahmen vom HSV höchst persönlich zu stecken. Das
ist doch auch was! Der HSV darf über 31 300 Euro entscheiden. Aber
besser wäre es schon, dafür keine Böller und Raketen zu kaufen – nein,
ein Scherz! Das machen die Fans selbstverständlich schon selbst.


Das Schlusswort soll diesmal Tim Walter haben: „Ich bin wie ein Boxer,
der einen Schlag abbekommt. Ich schüttel' mich, aber ich und wir alle
haben gute Nehmer-Qualitäten. Wir haben so viel auf die Fresse gekriegt.
. ."



Damit wünsche ich Euch allen einen Bilderbuch-Sommer, eine nicht zu
lange und zu langweilige Fußball-Sommerpause, und dazu viel, viel und
beste Gesundheit. Ganz speziell möchte ich mich bei Udo Grabner, Euren
„Chef" vom StarClub Buxtehude bedanken, denn er leistet für Euch und für
uns alle eine super-tolle Arbeit mit diesem Internet-Auftritt.

Lieber Udo, das machst Du wirklich großartig, ich finde sogar, dass es
einzigartig und nachahmenswert ist – und dafür vielen, vielen Dank. Du
bist klasse!



Es grüßt Euch

Dieter Matz





Dieter Matz - Der Blog

Folge 19/2023

Online seit 29.05.2023 


Am Sonntag beim Bäcker. Wir, meine Frau und ich, holen sonntags meistens um die Mittagszeit Brötchen für das Frühstück am nächsten Tag. Die Dinger werden dann am Tag darauf aufgetoastet. Aber darum geht es jetzt gar nicht. Es geht in diesem Fall um die Bild am Sonntag, die ich im Zeitungsständer der Bäckerei entdeckte. Und in diesem speziellen Fall ging es nur um die Schlagzeile auf der Seite eins der BamS. Da las ich: WAS FÜR EIN TAG. Am Abend wusste ich, dass die Zeitung, die sonst eher übertreibt, stark untertrieben hatte. Meine Zeile lautete abends und jetzt immer noch: WAS FÜR EIN WAHNSINN!


Was war das denn bitte für ein Wochenende? Ein Fußball-Wochenende. Aber was für eines? So etwas habe ich noch nie erlebt, und ich werde in diesem Jahr 75 Jahre alt, habe solche Fußball-Wochenenden eigentlich schon genügend erlebt. Dieses aber war Wahnsinn in Potenz. Am Sonnabend ein Herzschlag-Finale in der Dritten Liga, am frühen Abend dann noch ein Herzschlag-Finale in der Ersten Bundesliga, und dann am Sonntag, nachdem sich einige Fußball-Fans gerade wieder etwas erholt hatten, dieses Drama in der Zweiten Bundesliga. Diesen Bericht wollte ich eigentlich am Sonntag schon gegen 18.30 Uhr beginnen, ich saß am PC – und es ging nichts. In mir drehte sich alles. Nicht im Magen, sondern im Kopf. Ich hatte an Armen und Beinen immer noch Gänsehaut, und ich war innerlich so voller Unruhe, dass ich beschloss, erst einmal NICHTS zu schreiben. Es ging nicht!



Jetzt ist es 0.11 Uhr, und ich beginne. 0.11 Uhr in der Nacht von Sonntag auf Pfingstmontag. Und eigentlich geht es mir nicht wesentlich anders, als noch vor ein paar Stunden um 18.30 Uhr. Aber ich will es jetzt wissen. Obwohl ich nicht weiß, wie das gehen soll, oder besser, gehen wird. Wahnsinn. Wirklich Wahnsinn. Ich hoffe für mich und auch für Euch, dass wir alle dieses Wahnsinns-Wochenende gesundheitlich einigermaßen überstehen und überstanden haben – oder besser, es noch einigermaßen verarbeiten werden. Sodass es am Dienstag dann halbwegs wieder einen normalen Alltag geben wird. Aber was heißt schon normal? Normal ist doch im Moment nichts. Und irgendwie denke ich, dass es so schnell auch nicht wieder völlig normal werden kann. Dieses Wochenende hat mich schwer traumatisiert, und ich werde davon, das ist sicher für mich, noch lange etwas haben. Nachwirkungen. Wochen, Monate, eher Jahre – denke ich im Moment, in dem ich das schreibe. Wahnsinn. Ich kann es nicht glauben, was da alles abgelaufen ist. Und wenn nicht am späten Sonnabend die Eishockey-Herren die Sensation vollbracht hätten, ins WM-Finale einzuziehen, dann wäre ich wahrscheinlich reif für die Klapsmühle gewesen. Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft hat mich davon abgehalten, fußballerisch durchzudrehen, das gebe ich zu. Weil es damit wenigstens doch etwas Erfreuliches gegeben hatte. Das sie nach 70 Jahren endlich einmal wieder nach einer WM-Medaille greifen konnten, war überragend! Auch Wahnsinn. Aber positiv! Und dickes Kompliment für diese wunderbare Truppe. Auch wenn das sonntägliche Finale gegen Kanada dann mit einer 2:5-Niederlage endete. Egal. Das war ein absolut traumhaftes Auftreten – selbst noch trotz der Niederlage im Endspiel.



Nun aber zurück zum Fußball. Zum Fußball-Wahnsinn. Beginnen möchte ich mit Liga drei. Da feierte Wehen-Wiesbaden nach dem glücklichen 1:0-Sieg gegen Halle den Aufstieg in Liga zwei. Die Stadion-Tore wurden geöffnet, die Zuschauer auf den Rasen, alle tanzten und herzten sich: Aufstieg! Doch in Osnabrück wurde noch gespielt. Dort führte Dortmunds Zweite noch 1:0, aber die 90 Minuten waren um, was sollte da schon noch passieren? Aber es passierte. In der Nachspielzeit. Osnabrücks Unterschiedsspieler Simakala schoss in der 90.+4 Minute das 1:1. Und der erst in der 85. Minute eingewechselte Wulff erzielte in der 90.+6 Minute doch noch das 2:1-Siegtor für den VfL. Danach brannte die Bremer Brücke. Osnabrück stieg wegen des nicht mehr für möglich gehaltenen Dreiers doch noch auf – und nur aufgrund eines Tores! Wiesbaden hat zwar zwei Tore mehr geschossen (71), aber auch zwei mehr zugelassen (49). Das war entscheidend für den Aufstieg. Und so nahm der Wahnsinn schon am Sonnabend gegen 15.45 Uhr seinen Lauf!

Nebenbei: Sollte der HSV, zu dem ich logischerweise noch kommen werde, doch in Liga zwei bleiben, trifft er in den Spielen gegen den VfL Osnabrück einen alten Bekannten wieder: Robert Tesche. Das nur mal ganz am Rande.



In Liga eins ging es dann etwas später ebenso turbulent zu. Mainz 05, das zur Erinnerung, hatte am vorherigen Spieltag mit 1:4 (in Worten eins zu vier!) gegen den VfB Stuttgart verloren. In Mainz. Und plötzlich führten die Hessen im Spiel der Spiele für Dortmund mit 2:0. Und in Köln lag der FC Bayern mit 1:0 vorn. Wahnsinn. Der BVB hatte zwischendurch ja die Chance, das 1:1 zu erzielen, weil es aus dem Kölner Keller einen Foulelfmeter gegeben hatte. Sebastien Haller, der bislang fünf von fünf Elfmeter verwandelt hatte, nahm sich – natürlich – wieder die Kugel. Dann aber kam Emre Can von der Seite und diskutierte ein wenig mit Haller. Es sah für mich so aus, als wolle der deutsche Nationalspieler lieber selbst schießen. Für mich eine unfassbare und auch entscheidende Szene. Damit setzte Can seinen Teamkollegen nur noch unnötig und zusätzlich unter Druck - unmöglich. Der Rest ist traurige Geschichte. Haller scheiterte mit seinem Schuss, stattdessen ging Mainz dann mit 2:0 in Führung. Der Anfang vom Ende für den BVB und seine Träume von der Meisterschaft.



Die Krönung dieses Nachmittags aber war ja auch der Spielverlauf in Köln. Bayern auf der Siegerstraße, dann Hand-Elfmeter (durch den Kölner Keller entschieden) für Köln – 1:1. Und eine Minute vor Schluss machte dann der eingewechselte Jamal Musiala das 2:1-Siegtor für München – und damit die elfte Meisterschaft in Folge für den FC Bayern perfekt. Diese Spannung, diese Dramatik – das bekommt kein Drehbuch-Schreiber jemals so hin! Bis zu dem Musiala-Treffer war Dortmund Meister, weil der BVB inzwischen auf 2:2 gestellt hatte – aber zu mehr reichte es eben nicht. Die Bayern waren einmal mehr im Glück. Und irgendwie war das ja auch passend. Wenn die Münchner in einem beliebigen Spiel in der Schlussphase einen Treffer brauchen, dann machen sie den auch – für mich zu 90 Prozent – immer. Und irgendwie ist das dann auch kein Glück mehr, sondern Können.



Dass es nur Minuten nach dem Gewinn des Titels in der Öffentlichkeit ganz gehörig bei den Bayern krachte, passte dann zwar zum Tag, aber gewiss nicht zur Freude, die dieser Titelgewinn eigentlich hätte auslösen sollen. Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic entlassen! Bereits am Tag vor dem Spiel, aber erst danach offiziell bestätigt. Ein Hammer! Nein, der Hammer an sich! Einige Experten kritisierten den Trennungs-Zeitpunkt, aber ich bin da ganz auf der Linie von Felix Magath, der gesagt hat: „Egal wann die Bayern diesen Schnitt und Schritt verkündet hätten, irgendeiner hätte immer etwas zu kritisieren gehabt.“ So ist es. Immerhin hatte Magath nichts daran auszusetzen, dass die beiden „Jungs“ vor die Tür gesetzt worden waren – auch irgendwie verständlich, der gute Felix wurde einst ja auch so beim und vom FC Bayern München abserviert - eiskalt. Offenbar ist es doch so: So ist Fußball. Der Profi-Fußball.


Innerbetrieblich wird Oliver Kahn ja (auch) vorgeworfen, dass er zu wenig Kontakt zu den Mitarbeitern des FCB gehabt hätte, dass er eher stets sein eigenes Ding gemacht hat. Wenn das jemand aus der Führungsetage öffentlich sagen würde, dann hätte ich dafür allerdings keinerlei Verständnis. So war Kahn schon immer. Schon als Spieler war er so. Das hätte jeder im FC Bayern wissen müssen. Da die Mannschaft, hier Herr Kahn. Meine Überzeugung ist ja: Jürgen Klinsmann hat das, als er Stürmer für die Bayern war, aus nächster (Kabinen-)Nähe erlebt. Wie sich Kahn gegenüber seinen Kollegen verhielt – reserviert und reservierter, schweigend. Da gab es, so meine damaligen Informationen, kaum Kontakt untereinander. Kahn war der King und unantastbar. Deswegen, so meine ganz eigene Theorie, hat Klinsmann als Bundestrainer dann bei der WM 2006 auch Kahn aus dem Tor der Nationalmannschaft genommen und Jens Lehmann als Nummer eins gebracht.




Ich habe Oliver Kahn als Nationaltorhüter über einige Jahre begleiten dürfen – als Journalist. Er hat sich stets unnahbar und sehr wortkarg gegeben. Wenn er Interviews gab, dann nur für die Süddeutsche, den Kicker und eventuell auch mal für den Stern, ansonsten herrschte eisiges Schweigen. Lediglich in der Zeit, als er Kapitän wurde und war, gab es Statements von ihm – weil er dann in den Pressekonferenzen neben dem DFB-Pressesprecher Harald Stenger saß und Fragen der Journalisten, die im Saal saßen, beantworten musste! So auch meine. Kahn konnte, das steht fest, Journalisten nie gut leiden. Das habe ich ihm auch einmal bei einem Treffen in Hamburg-Winterhude vorgehalten und es ihm gesagt. Oder besser: ich habe ihn gefragt, ob er jetzt, nach seiner sportlichen Karriere, anders über Journalisten denkt, als damals? Er grinste mich breit an und sagte: „Jeden Tag denke ich darüber nach, mehrfach sogar, und ich denke, dass ich mich damals wohl nicht so ganz richtig verhalten habe. Da hätte ich einiges besser machen können.“ Immerhin. Es ist ja nie zu spät. . . Aber so richtig kontaktfreudig im eigenen Verein war er dann offenbar immer noch nicht. Aber: Er will ja jetzt doch noch, wenn sich die Wogen geglättet haben, ein (Versöhnungs-)Gespräch mit den FCB-Oberen führen, damit man nicht total im Bösen auseinander geht. Das klingt dann ja auch schon etwas versöhnlicher.



Wobei ich auch in den letzten Wochen, vielleicht auch schon Monaten immer wieder gedacht habe, dass sich Kahn und Salihamidzic wohl doch nicht ganz so gut verstehen, wie man vermuten könnte. Irgendwie hatte ich immer das Gefühl, das sitzen Hund und Katze nebeneinander auf der Tribüne. Ich hatte stets das Gefühl, als wenn Kahn den kleinen Brazzo nicht so ganz für „voll“ nehmen würde. Und nebenbei: Auch die Kult-Figur Hermann Gerland hatte seine großen und größten Probleme mit Salihamidzic und verließ auch deswegen den FC Bayern. Und noch ein Ding von damals: Am 26. Mai 1999 verlor der FC Bayern das Champions-League-Finale in Barcelona gegen Manchester United mit 1:2 – in der Nachspielzeit. Ich stellte mich damals nach dem Spiel an den Bus der Bayern, um mit Salihamidzic ein kleines Interview führen zu können. Der Bus stand total in der Dunkelheit hinter der Hauttribüne, und ich stand mit Hasan am Heck des Fahrzeugs. Als uns Kahn entdeckte, ungefähr acht Meter von uns stehend, da herrschte er Salihamidzic laut an: „Hasan, komm sofort hierher, du weißt, was wir gesagt haben, es gibt keine Interviews. . .“ Hasan sagte nur noch zu mir: „Du hast es gehört, ich muss jetzt Schluss machen.“ Und parierte. Er ging rüber zu Kahn. So lief das damals schon, ich denke, dass es dieses Obrigkeitsdenken von Kahn auch heute und immer noch gibt – oder dass es das bislang noch gegeben hat.



Als Salihamidzic-Nachfolger werden im Moment zwei Namen gehandelt: Markus Krösche von Eintracht Frankfurt und Max Eberl von Red-Bull Salzburg (RB Leipzig). Letzterer soll sich im Osten der Republik nicht ganz so wohl fühlen und könnte sich wahrscheinlich vorstellen, nach München zu wechseln. Wenn das allerdings passieren sollte, dann zweifle ich einmal mehr an diesem schlimmen und fiesen Fußball-Geschäft – und Eberl hätte bei mir alle Chancen verspielt, in Zukunft noch gut angesehen zu werden. Muss ich leider so klar gestehen. Er kam doch gerade erst aus Mönchengladbach nach Leipzig. Und er hatte doch gerade vor ein paar Tagen noch verkündet: „Die nächste Meisterschaft wird kein Zweikampf zwischen Bayern und Dortmund, sondern ein Dreikampf. Wir werden da dann hundertprozentig mitmischen!“



So, nun zu Liga zwei. Ganz kurz nur zum FC St. Pauli, der sich mit einem 1:1 gegen den KSC in die Sommerpause verabschiedet hat. Ich ziehe nach wie vor den Hut vor den Braunen, die ein sensationelles halbes Jahr gespielt haben – das war ein Traum! Und ich hoffe sehr, dass die Mannen von Trainer Fabian Hürzeler in der nächsten Saison daran anknüpfen werden, damit sie dann mit um die Zweitliga-Meisterschaft und den damit verbundenen Erstliga-Aufstieg spielen können. Das wäre herrlich! Ich gönne es den Jungs vom Millerntor, die im Jahre 2023 wirklich über sich hinausgewachsen sind. So sollte und darf es bleiben! Hoffentlich verlassen nicht zu viele Leistungsträger den Verein, aber es ist doch etwas zu befürchten, denn die Erstliga-Konkurrenz schläft ja auch nicht und wird sich den einen oder anderen St.-Pauli-Leistungsträger schon für einen Transfer vorgemerkt haben. Der VfB Stuttgart zum Beispiel wollte schon im Sommer 2022 Jakov Medic verpflichten. . .

Ich gratuliere jedenfalls dem FC St. Pauli zu dieser grandiosen Spielzeit und wünsche alles Gute.


Nun zum HSV-Drama. Auch nur der reine Wahnsinn. In Sandhausen 1:0 gewonnen, die Stadiontore geöffnet, damit die HSV-Fans ihre Lieblinge und den Erstliga-Aufstieg feiern können, der Stadionsprecher gratuliert Hamburg zum Aufstieg (über Lautsprecher!) und Trainer Tim Walter befindet sich im Jubel-Rausch, indem er die Arme hochreißt und seine Freude für ein paar Sekunden in den Himmel von Sandhausen schreit. Dann erst bremst ihn ein Co-Trainer, der ihm sagt: „In Regensburg wird noch gespielt, da gibt es elf Minuten Nachspielzeit!“ Zu diesem Zeitpunkt führte Regensburg ja noch mit 2:1 – aber es gab genau zu diesem Zeitpunkt einen Elfmeter für Heidenheim. Ganz nebenbei: Für mich war das nie und nimmer ein Strafstoß, aber im Kölner Keller saß Robert Kampka, der in meinen Augen der selbstherrlichste und arroganteste Zweitliga-Schiedrichter, und der pflichtete dem Spielleiter in Regensburg, Sören Storks, bei: Elfmeter. Den verwandelte der Heidenheimer Jan-Niklas Beste in der 90.+2 Minute souverän zum 2:2. Da waren dann noch neun Minuten zu spielen. Und der HSV, das ist es ja, wäre somit immer noch aufgestiegen! Aber der Sky-Reporter sagte schon warnend: „Die Regensburger sind stehend k.o., da geht nicht mehr viel. . .“ Recht hatte er. In der 90.+9 Minute erzielte Tim Kleindienst nicht nur seinen 25. Saisontreffer zum 3:2-Sieg, er schoss damit seinen Verein zur Zweitliga-Meisterschaft und zum ersten Erstliga-Aufstieg (der 57. Verein in der Ersten Bundesliga). Was für ein Tor! Was für eine Dramatik! Was für ein Pech für den HSV! Unwahrscheinlich. So etwas kann sich in dieser Form kein Mensch ausdenken. Nach neun Minuten in der Nachspielzeit tritt Kleindienst auf den Plan. . .


Inzwischen hatte sich Tim Walter aber auch wieder gefangen, und er sagte ganz ruhig in das Sky-Mikrophon: „Das ist alles ganz normal. Was hier passiert ist, so ist Fußball – das haben wir ja schon gestern und in der Ersten Bundesliga erlebt. Wir werden morgen wieder aufstehen,und wir werden morgen wieder angreifen. Dieses Jahr werden wir unsere Chance nutzen, egal was kommt.“

Und im Himmel ist Jahrmarkt – bin ich geneigt zu schreiben.


Jetzt also Relegation. Was viele erwartet hatten. Dass der HSV mit 66 Punkten in diese beiden Spiele muss, ist auch dramatisch. Das ist eine Punktzahl, mit der sie in der Vorsaison Meister geworden wäre. Einmal erst, in der Saison 2016/17 (Eintracht Braunschweig), haben 66 Punkte in der Zweitliga-Historie nicht zum Direktaufstieg gereicht. Auch Wahnsinn. Aber: Das Saisonziel des HSV, so haben es alle Verantwortlichen im Sommer 2022 gesagt, war der direkte Aufstieg. Wenn der HSV jetzt trotz eines Etats von über 22 Millionen Euro hinter Heidenheim und Darmstadt rangiert, dann lief in dieser Spielzeit eben nicht alles gut genug, dann gab es auch etliche Fehler. Die können jetzt noch mit zwei Spielen korrigiert werden, aber: Die Statistik der Relegation spricht gegen den HSV. Seit 1982 bis 1991 gab es Relegationsspiele. Und dann ab 2009 dank Werner Hackmann (HSV), ich schrieb darüber, wieder. Seit der Wiedereinführung gab es nur drei Zweitliga-Vertreter, die in Liga eins aufstiegen: Der 1. FC Nürnberg, Fortuna Düsseldorf und Union Berlin. Zu 75 Prozent setzten sich in den Relegationsspielen die ErstligaKlubs durch. Das muss nichts bedeuten, kann aber dennoch schon ein dezenter Hinweis darauf sein, dass es für den HSV auch im sechsten Jahr lediglich um Zweitliga-Punkte gehen könnte.


Schlusswort von Tim Walter: „Einfach kann jeder!“


Freut Euch auf den Donnerstag, dann geht es in den vorletzten Akt. Alles Gute wünscht


Dieter Matz






Dieter Matz - Der Blog

Folge 18/2023

Online seit 22.05.2023 


Im Norden nichts Neues. Der FC St. Pauli gewinnt am Freitag 4:3 in Kiel, und der HSV am späten Sonnabend im Volkspark gegen Greuther Fürth 2:1. Alles knapp, aber gewonnen. Für St. Pauli ging es lediglich darum, die sensationelle Rückrunden-Serie weiter auszuschmücken, und für den HSV darum, den Aufstieg nicht aus den Augen zu verlieren – nachdem mittags schon Heidenheim in einem erschütternden Kick mit 1:0 gegen Absteiger Sandhausen vorgelegt hatte. Noch ist es nur ein Pünktchen, das den HSV von Platz zwei trennen, das Torverhältnis einmal ausgeklammert, aber ich kann mir den direkten Aufstieg der Rothosen immer noch vorstellen – denn Heidenheim könnte im letzten Saisonspiel durchaus in Regensburg straucheln. Das trotz der Tatsache, dass der Jahn als Tabellenvorletzter bereits abgestiegen ist. Das Nervenkostüm des derzeitigen Tabellenzweiten scheint mir nicht das beste zu sein, und ich hatte im trostlosen Match gegen Sandhausen immer das Gefühl, als wolle Heidenheim gar nicht aufsteigen. So schwach nämlich habe ich die Mannschaft von Trainer Frank Schmidt in dieser Spielzeit noch nicht gesehen. Also: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Und Platz drei sowie die Relegation sind ja bereits in trockenen Tüchern.



Der HSV begann gegen Fürth durchaus ansprechend, ohne allerdings große Tormöglichkeiten zu haben. Doch gerade als die Süddeutschen anfingen, ins Spiel zu finden, schlug der HSV zum ersten Mal zu: Bakery Jatta leistete die sehr gute Vorarbeit für das 1:0, über Jean-Luc Dompe kam der Ball zu Miro Muheim, der aus 16 Metern von der Strafraumkante sofort und beherzt abzog – und ein Tor des Monats erzielte (27.). Der Ball flog unter die Unterkante der Querlatte, unhaltbar für Torwart Andreas Linde, dem auch die Sicht versperrt war. Erste Chance, erstes Tor – der HSV wieder einmal sehr effizient. In der 33. Minute ließ Linde nach einem Eckstoß den Ball aus den Händen gleiten, aber Sebastian Schonlau konnte daraus keinen Treffer erzielen, er scheiterte aus nächster Nähe am Keeper. Danach plätscherte das Spiel bis zum Halbzeitpfiff ausgeglichen vor sich hin.



Der zweite Durchgang verlief zunächst ähnlich ausgeglichen, Sonny Kittel hatte in Minute 61 das 2:0 auf dem linken Fuß, doch sein Schuss flog hoch über das Gehäuse der Spielvereinigung. Die dann kam. Und der HSV kam im eigenen Stadion nur noch zum Kontern. Einer dieser Angriff führte dann aber zum vorentscheidenden 2:0. Gian-Luca Itter foulte Robert Glatzel, und der kurz zuvor eingewechselte Laszlo Benes verwandelte den Elfmeter vor der Nordtribüne souverän (69.). Zehn Minute später traf Glatzel noch den Pfosten des Fürther Tores, doch auf der Gegenseite klingelte es danach alsbald. Lukas Petkov tankte sich durch die vielbeinige HSV-Abwehr und vollendete mit der Pike (84.). Ein verdienter Treffer, denn in Halbzeit zwei war Fürth fast ständig leicht feldüberlegen. Zu mehr aber, zum Ausgleich, langte es nicht. Drei Minuten vor dem offiziellen Ende sah Jatta noch nach einem Foul (ein kleines Foul) an Branimir Hrgota die Gelb-Rote Karte – er fehlt am Sonntag beim Spiel in Sandhausen. Ebenso Ludovit Reis, der seine fünfte Gelbe gesehen hat – und nur durch ein wenig Glück und viel Nachsicht von Schiedsrichter Sven Waschitzki (Bremen!) schon in Halbzeit eins (nach einem taktischen Foul) um die Gelb-Rote Karte herumgekommen war.

Rot (per VAR-Entscheidung) sah in der Nachspielzeit dann noch der Fürther Dickson Abiama, der sich einen üblen Tritt gegen Jonas David geleistet hatte.



Mein Fazit: Der HSV hat in dieser Partie gewiss keine gute Leistung gezeigt, aber er hat seine Chance auf den Aufstieg weiterhin gewahrt. Platz drei und damit die Relegation ist sicher, Platz zwei ist immer noch möglich – und geht es nach Trainer Tim Walter, dann wird dieser auch noch perfekt gemacht. Vielleicht nun Sonntag in Sandhausen. Wir hoffen es! Eine Einzelkritik erspare ich mir diesmal, für mich wäre kein HSV-Profi aus diesem eher sehr „durchwachsenen“ Spiel herauszuheben, aber auch keiner zu tadeln. Gut gefallen aber hat mir, dass vom sonst so herausragenden Fürther Hrgota diesmal nichts, aber auch wirklich nichts zu sehen war, ihn hatte die gesamte HSV-Defensive absolut fest im Griff. Kompliment. Ich habe mir während der 90 Minuten gelegentlich gedacht, dass sich der gute Branimir Hrgota eventuell bewusst ein wenig zurückhält, weil er in der kommenden Erstliga-Spielzeit das Trikot mit der Raute auf der Brust tragen wird. Das ist aber auch nur meinem kleinen Hirn entsprungen, da ist (bestimmt) gar nichts dran.



Das Fazit Nummer zwei kommt von HSV-Trainer Tim Walter, der sonst ja immer sagt: „Wir bleiben bei uns!“ Diesmal sagte er im Hinblick auf das Sandhausen-Spiel: „Wir werden da sein." Natürlich. Sonst würde der Absteiger ja auch kampflos gegen Aufstiegskandidaten gewinnen. Dass sich nach dem Spiel beide Trainer noch in die Wolle bekamen, dass kann doch ernsthaft niemanden von Euch wirklich überraschen. Das ist doch fast in oder nach jedem HSV-Spiel üblich, fast schon Gesetz. Tim Walter sprach nach dem Spiel und bei der Pressekonferenz davon, mit diesem 2:1-Sieg die „Hausaufgabe erledigt zu haben“. Das brachte Alexander Zorniger etwas in Wut. Er hatte etwas dagegen, dass der HSV (gewiss nicht viel besser als die Fürther – ich schrieb es bereits) gegen seine Mannschaft die „Hausaufgabe erledigt“ hatte. Klingt so wie im Vorbeigehen. Und deswegen auch irgendwie schön despektierlich. Nun gut, Tim Walter ist so wie er ist, wir werden es und ihn nicht ändern können, ich kleiner Wicht ohnehin schon gar nicht.


Und wo ich gerade im vorletzten Absatz bei meinem kleinen Hirn war: Hiermit möchte ich mich ganz ehrlich und hoch offiziell entschuldigen. Und zwar für einen Hinweis in meinem Bericht in der Vorwoche. Da hatte ich felsenfest auf einen (hohen und eindeutigen) Bayern-Sieg gegen Leipzig getippt – ich war davon auch wirklich restlos überzeugt. Und dann so etwas. 1:3 gegen die Bullen. Der erste Sieg des Brause-Teams in München überhaupt. Und dann zu einer solchen Endphase der Meisterschaft! Ich hätte es nicht für möglich gehalten, komme aber darauf noch am Ende zurück.


Jetzt erst einmal St. Pauli.

Kurz und schmerzlos, obwohl einiges los war an der Förde. Ein richtig abwechslungsreiches und turbulentes Spiel. Der ehemalige St. Paulianer Fin Bartels hatte in seinem Heim-Abschiedsspiel an der Förde die erste große Tormöglichkeit gleich nach dem Anstoß, traf aber aus vier Metern den Ball nicht (richtig?) - viel Glück für St. Pauli. Die Mannschaft von Fabian Hürzeler tat sich in der ersten halben Stunde recht schwer, lag auch nach 28 Minuten mit 0:1 zurück. Manolis Saliakas hatte sich einen Querschläger Richtung Mond und Güterbahnhof Wandsbek geleistet (unglaublich!), die Kugel prallte als Kerze in den St.-Pauli-Strafraum zurück, und dort schubste Karol Mets den lauernden Bartels gegen den herauslaufender Keeper Nikola Vasilj – es gab nach dem Pfiff von Schiedsrichter Robert Kamka Strafstoß für Holstein. Den verwandelte Steven Skrzybski zum Führungstreffer der Hausherren. In dieser Phase sah es ganz sicher nicht besonders gut aus für die Kiez-Kicker, die Mannschaft spielte ungewohnt schwach, fahrig, ungenau. lässig und nachlässig, zu pomadig und langsam. Leicht überheblicher Kommentar eines St.-Pauli-Fans (fällt mir spontan ein): „Für Holstein reicht es trotzdem. . .“ Naja. Ich muss gestehen, dass ich St. Pauli in diesem Jahr noch nie so schlecht gesehen habe, wie diesmal. Für mich war bis zu diesem Freitag der FC St. Pauli die beste Mannschaft in der Zweiten Liga 2023. Davon war gegen Holstein aber nichts zu erkennen. Es waren eher erschütternde 90 Minuten plus Nachspielzeit.



Der Dosenöffner für die Braunen in diesem Match kam dann in Person von Oladapo Afolayan. St. Paulis Winter-Neuzugang schnappte sich in der 39. Minute den Ball, lief quer zum Holstein-Tor auf der Strafraumgrenze entlang, umdribbelte diesen und jenen Kieler, verlor den Ball kurz, bekam ihn von Jackson Irvine aber wieder vorgelegt – und schoss mit links aus 14 Meter flach ein. Erste Chance, erstes Tor – so wird‘s gemacht! Einen Satz muss ich noch zu Afalayan loswerden: Der Mann hat es bei den Schiedsrichtern der Zweiten Bundesliga offenbar sehr, sehr schwer. Afolayan wurde in der 35. Minute von Lewis Holtby (früher HSV) gefoult, lag mit schmerzverzerrtem Gesicht lange am Boden – aber der für mich herzlich schwache Unparteiische Kamka pfiff nicht! Das war mindestens Gelb. In der Folgezeit konnte Afolayan machen was er wollte, Kamka war nie auf seiner Seite. Ich werde das Gefühl nicht los, dass die Schiedsrichter den St.-Pauli-Stürmer in irgendeiner Form auf dem Kieker haben, Warum, wieso, weshalb? Es ist mir ein Rätsel. Er tut keinem etwas, er schauspielert nicht, er spielt nicht unfair, er meckert kaum – aber irgendwie scheint er dennoch etwas verbrochen zu haben, ich beobachte das schon seit einigen Spielen und empfinden das als höchst ungerecht. Zum Glück (für Afolayan) ist die Saison in einer Woche vorbei. . .


Kamka war auch in der 47. Minute nicht auf der Höhe. Kiels Timo Becker leistete sich gegen Marcel Hartel einen Ellenbogenschlag, doch es gab nur Gelb. Glück für den Holsteiner, das war für mich eher Rot. Sekunden danach vereitelte Vasilj noch eine gute Kieler Chance, indem er den 16-Meter-Schuss des freistehenden Fabian Reese glänzend hielt. Ein Wachmacher. Für St. Pauli. Und in der 53. Minute ein Handspiel von Reese am Holstein-Strafraum. Diesmal gab nicht Leart Paqarada die Kugel von links zur Mitte, sondern endlich einmal Hartel. Jakov Medic verfehlte zwar die Eingabe am Fünfmeterraum, doch hinter ihm stand Kiels Kapitän Hauke Wahl, und der köpfte ein – 2:1 für St. Pauli. Kurios: Von Abwehrspieler Wahl heißt es ja, dass er nächste Saison am Millerntor spielen wird.


Vom Angriff der Braunen war bis zu diesem Zeitpunkt herzlich wenig zu sehen, Lukas Daschner und Elias Saad konnten sich kaum einmal in Szene setzen. Den „guten“ Daschner, dem überhaupt nichts gelang, hätte ich zur Pause in der Kabine gelassen, das muss ich gestehen – aber ich hätte damit dann auch das 3:1 verhindert. In der 61. Minute bediente Afolayan seinen in der Mitte lauernden Sturmkollegen, und Daschner schoss sofort und sensationell aus 16 Metern ein – ein Traumtor! Und danach folgte noch ein Eigentor der Kieler: Saad legte im Strafraum zu Paqarada auf, der schoss mit links, der Ball wäre am Tor vorbeigeflogen, doch Mikkel Kirkeskov lenkte die Kugel doch noch in die eigenen Tormaschen. Für mich ein klares Eigentor, doch in diversen Statistiken steht immer noch Paqarada als Torschütze. Sonst ist der DFB und die DFL immer ganz genau, diesmal verschließen sie offenbar alle ihre Augen. Egal, St. Pauli führte 4:1 und stand vor einem weiteren Auswärtssieg. Lautstark und begeistert gefeiert von den mitgereisten Fans.



Doch die tapferen Kieler gaben noch lange nicht auf. Der eingewechselte Marco Komenda verkürzte in der 78. Minute mit einem 15-Meter-Schuss auf 2:4 – unhaltbar für Vasilj. Der Keeper aber leistete sich 120 Sekunden später wieder einmal einen dicken Klops: die in etwa 27. Torwart-Daddelei. Unfassbar, dass Hürzeler dieses Übel noch immer nicht abgestellt hat. Vasilj hielt den Ball wie eigentlich immer lange am Fuß, bis er attackiert wurde – und drosch den Ball dann ausgerechnet Irvine, der acht Meter vor ihm stand, auf den Pelz. Unmöglich! Wirklich unmöglich. Ich fasse es nicht! Und dennoch ist solch ein Missgeschick – oder besser Mistgeschick - irgendwie absehbar. So etwas musste wieder einmal kommen! Kommt ja auch fast in jedem St.-Pauli-Spiel vor. Den anschließenden Heber von Bartels (auf das verwaiste St.-Pauli-Tor) wehrte Vasilj dann zum Glück noch ab – Ecke. Weitere zwei Minuten nach diesem „Vorfall“ rammte dann Kiels Reese den nach vorne stürmenden Afolayan zu Boden, das war ein eindeutiges Foul, ein richtog hässliches Foul, aber der feine Herr Kamka machte keinerlei Anstalten, dieses Foul zu pfeifen. Unfassbar. Mein Fazit dazu: Dieser Schiedsrichter sollte schnell aus dem Verkehr gezogen werden. Und das ist absolut ernst gemeint. In der 87. Minute sah dann Afolayan Gelb-Rot, weil er nach einer Behandlung von außen einfach auf den Rasen gestürmt war, ohne dass ihm der Unparteiische dafür ein Zeichen gegeben hatte. Eine sehr wohl korrekte Entscheidung, das muss festgehalten werden. Irgendwie hatte Afolayan wohl ein Zeichen gesehen – nur welches, das war nicht zu klären.


In der ersten Minute der Nachspielzeit rettete Vasilj dann super gegen Reese, doch 120 Sekunden danach traf Reese dann doch noch zum 3:4. Es lag sogar noch ein 4:4 in der Luft, weil St. Pauli an diesem Tag eben nicht das hundertprozentige St. Pauli gewesen ist, das Fabian Hürzeler in diesem Jahr auf den Weg gebracht hatte. Zum Glück pfiff dann der Schiedsrichter doch rechtzeitig ab. Das hat wahrlich Nerven gekostet.


In der ganz kurzen Einzelkritik gibt es dann auch niemanden, der mit der Note Eins zu nennen wäre. Im Gegenteil. Der Angriff erhält trotz der vier Tore (zwei Eigentore!) eine Gesamt-Schulnote: Vier minus. Im Mittelfeld konnten Irvine und Hartel dank ihres Fleißes eine glatte Drei einheimsen, für Paqarada gebe ich eine Vier minus, Saliakas erhält diesmal eine Fünf – das war sein vielleicht schlechtestes Spiel für St. Pauli. Eine Eins hatte zuletzt Mets erhalten, diesmal bekommt er eine Vier minus. Medic eine Drei, Eric Smith eine Drei und Vasilj eine Drei plus. Bis auf die „elende“ Torwart-Daddelei (und dem Elfmeter) war das schon gut.


Dann noch zum „großen Fußball“:


Ärger gab es ja beim 1:3 in München. Nicht nur bei den Bayern, sondern auch für Schiedsrichter Deniz Aytekin. Der wurde nach dem Spiel nämlich vom Schiedsrichter im Ruhestand, Manuel Gräfe (Berlin), im Internet attackiert. Weil Aytekin ein Ziehen, Zupfen, Zerren, Festhalten von Amadou Haidara an Bayern-Profi Leon Goretzka nicht gepfiffen hatte – im Gegenzug gab es dann, wie das Schicksal es wollte, Elfmeter für Leipzig. Nach dem Spiel folgte dann eine überaus kuriose Szene: Thomas Müller sollte gerade interviewt werden, als Aytekin nebenan, aber nicht im Bild, laut schimpfte. Er verschaffte sich gerade Luft über den Ärger mit ZDF-Experte Manuel Gräfe. „Im Stadion redet wirklich kein Mensch über den Schiedsrichter, und da sitzt der Manuel Gräfe in Berlin mit seinen 180 Kilo und labert so eine Scheiße. Das geht mir langsam gegen den Strich. Das ist ein Wahnsinn. Und dann soll ich mich hinstellen und wegen eines Zupfers irgendeinen Scheiß erzählen. Das ist ein Wahnsinn, das hat nichts mehr mit Sport zu tun. Das Spiel wurde durch die Spieler entschieden, nicht durch mich. Ich bin auf 180, sorry."


Nach diesem Ausbruch entschuldigte sich Aytekin bei Müller für die Störung des Interviews. Müller: „Alles ist gut, ich höre gerne zu." Am Sonntag sagte Aytekin, er und sein Team seien froh, dieses wichtige Spiel in München ohne größeren Fehler überstanden zu haben. Daher sei er sehr emotional geworden, als er direkt nach dem Spiel für ein Interview wegen der Kritik Gräfes gefragt worden sei. Der 44-jährige Schiedsrichter, in dieser Saison Deutschlands Nummer eins (behaupte ich!): „Dann bin ich ausgetickt. Für die Wortwahl möchte ich mich in aller Deutlichkeit entschuldigen. Das war völlig daneben, da ärgere ich mich sehr über mich und meine Wortwahl." Er kündigte eine Spende von 5000 Euro für einen guten Zweck als Buße für seine Ausraster an.

Ganz nebenbei: Hamburgs Top-Schiedsrichter Patrick Ittrich twitterte: „Ich kann Deniz hundertprozentig verstehen. Und zu dem vermeintlichen Foul: Das Halten an Goretzka erfolgte zu einem Zeitpunkt, als der Ball noch an der Eckfahne lang. Also noch bevor der Ball im Spiel war, somit ist dieses Zupfen irrelevant für die Beurteilung von einem möglichen Strafstoß."


Noch kurz zu den Bayern in München: Den Trainer (Julian Nagelsmann) vor die Tür gesetzt, Die Champions League verspielt, den DFB-Pokal verspielt – und nun wahrscheinlich durch die 1:3-Heimpleite gegen Red-Bull Salzburg (Ihr wisst, die Leipziger Ausgabe) auch die Meisterschaft. Thomas Tuchel hat ein kleines „Fußball-Wunder“ vollbracht – natürlich im Zusammenspiel mit Hasan Salihamidzic und Oliver Kahn. Wenn Ihr mich fragt: Beide, also Salihamidzic und Kahn, werden nach dem Saisonende wie Nagelsmann ebenfalls vor die Tür gesetzt. Vermute ich mal. Eine solche verkorkste Spielzeit lässt sich doch der große FC Bayern nicht bieten.


Die etwas kleinere Hertha, die alte Dame aus Berlin, ist unterdessen zum siebten Male aus der Ersten Bundesliga abgestiegen. Es war vorherzusehen. Ganz klar. Fragt Felix Magath, der prophezeite so etwas schon vor einem Jahr: „Wenn sich in Berlin nichts ändert, dann. . .“ Dann eben Abstieg. Haben sie nun bekommen. Weil sie mit den Millionen nur so um sich geschmissen haben. Wie (einst?) der HSV. In etwa. Hertha hat nur eine dreistellige Millionen-Summe mehr verbraten als die Hamburger. Das alles für den Abstieg. Wie der HSV! Herzlichen Glückwunsch! Andreas „Zecke“ Neuendorf, der ehemalige Profi und Co-Trainer, hat ja zuletzt auf der Jahreshauptversammlung besonders gegen den ehemaligen Hertha-Manager Fredi Bobic abgeledert. Ich möchte mich diesen Worten vorbehaltlos anschließen. Im Hamburger Volkspark stand einst schon die beste Geldvernichtungsmaschine der Republik, aber was in Berlin passiert ist, das toppt das Ganze noch einmal. Es ist eigentlich brutal unverantwortlich, wie da mit Millionen um sich geschmissen wurden – und wie brutal unverantwortlich das Finanzgebaren überhaupt in der Bundesliga abläuft. Millionen sind da ganz offenbar Peanuts. Gewiss nicht überall und immer, aber immerhin auch nicht so selten. Wann werden die Leute endlich einmal wach? In Berlin wollen sie ja jetzt einen ganz anderen Neu-Anfang, und zwar mit dem eigenen Nachwuchs. Ich bin gespannt, sehr, sehr gespannt, ob sich das durchziehen lässt. Nur mit Nachwuchskräften wird man nicht in die Erste Bundesliga zurückkehren können, das steht für mich außer Frage. Ich hoffe nur, dass bei Hertha dann auch die richtigen Verantwortlichen gefunden werden, und zwar solche Leute, die die alte Dame im Herzen tragen, und nicht solche, die nur an die dicke Marie am Monatsende in ihren Taschen denken. Und die danach auch strikt handeln – immer her mit den Millionen!


Ich habe das hier schon des Öfteren geschrieben: Das Fußballgeschäft wird immer durchtriebener und perverser, es gibt viel zu viele Absahner im Profi-Fußball, egoistische Leute, die nicht an den Ball denken, sondern nur an ihre Vorteile der finanziellen Art. Leider gibt oder gab es die nicht nur in Berlin. . .


Ich möchte zum Schluss kommen. Nicht ohne noch an die AS Rom zu erinnern. Was die Italiener im Euro-League-Halbfinale in Leverkusen abgezogen haben, war die absolute Krönung. Eine Frechheit, ein Skandal. Und dieser hoffnungslos überforderte Schiedsrichter Slavko Vincic ging mir dabei so auf die Nerven, ich könnte immer noch vor lauter Wut laut brüllen. Wie kann es angehen, dass eine solche Ungerechtigkeit unter dem Namen der UEFA laufen darf? Wie die Fliegen kippten die Römer im Minutentakt um, sie lagen am Boden und strampelten wie auf dem Rücken liegende Maikäfer. Und keiner konnte ihnen Einhalt gebieten. Der penible Slowene mit der Pfeife war darauf bedacht, die Regeln genauestens einzuhalten, aber gegen die Schauspielkünste der Italiener hatte er kein Mittel mit nach Deutschland gebracht, er ließ die Jungs gewähren. Leverkusens Sportchef Simon Rolfes wetterte nach dem 0:0-Spiel: „Es hätten mindestens 20 Minuten nachgespielt werden müssen.“ Stimmt. Rudi Völler sagte am Sonntag im Doppelpass über „seine“ Römer nichts Schlechtes, sonst darf er einstige Volksheld dort wohl nie wieder einreisen, aber er ließ sich immerhin dazu hinreißen zu sagen: „Statt der acht Minuten Nachspielzeit hätte es eigentlich das Doppelte geben müssen.“ Egal wie, dieses Spiel bleibt in unangenehmer Erinnerung, in unangenehmster Erinnerung. Auf Jahre hinaus. Und irgendwie, ich kann ja nicht an die UEFA appellieren, das geht nicht, aber irgendwie hoffe ich, dass die Fußball-Verantwortlichen Europas aus diesem schrecklichen Schauspiel lernen und dem endlich einmal ein „P“ vorsetzen werden. Ich hoffe es.


Nach diesem unwürdigen Auftritt der Römer habe ich mir gedacht, und es auch einigen Freunden gesagt: Die gesamte Leverkusener Mannschaft hätte, wenn sie einen Eckball oder einen Freistoß auszuführen hätten, auf einen Schlag umfallen sollen. Alle Spieler. Flach wie die Flundern. Was dann? Dann hätte die Welt auf jeden Fall mitbekommen, was hier für ein schleimiges Schauspiel über die Bühne geht. Sicher wäre Leverkusen danach in irgendeiner Form bestraft worden – aber ist das Bayer-Team nicht auch so schon schwer genug bestraft worden?


Ich wünsche Euch und Euren Lieben eine schöne sonnige, erfolgreiche und gesunde Woche – freut Euch auf das nächste Fußball-Wochenende. Zuvor möchte ich aber den HSV-Fans noch ans Herz legen, den 25. Mai nicht zu verpassen: 1983 gewann der HSV bekanntlich mit dem 1:0 gegen Juventus Turin den Europapokal der Landesmeister! Welch ein historische Datum. Da darf, nein, da sollte ruhig schon ein wenig gefeiert werden. Macht was draus. Und wer wirklich etwas Tolles erleben möchte, der kann sich dazu beim NDR über diesen grandiosen HSV-Sieg noch einmal richtig schlau machen. Mein (ehemaliger) Kollege Lars Pegelow von „NDR 90,3“ hat mit viel Lieben zum Detail mit vielen Helden von einst gesprochen und viele tolle Momente wieder zum Leben erweckt .Wer die Raute im Herzen trägt, der sollte sich das alles einmal anhören – man wird süchtig danach und kann damit nicht mehr aufhören. Wirklich sehr empfehlenswert.


Dieter Matz




Dieter Matz - Der Blog

Folge 17/2023

Online seit 15.05.2023 


Wie einst im Mai. Vielleicht sagen das in ein paar Jahren, oder noch in Jahrzehnten alle jene Menschen, die den HSV im Herzen tragen. Eingeschlossen dabei auch die Spieler, die ihren Beruf mit der Raute auf der der Brust, wörtlich auf der Brust, ausüben. Dieses Mai-Wochenende hatte es wahrlich in sich, es geht um den 13. und 14. Mai 2023. Erst duellieren sich die HSV-Verfolger FC St. Pauli und Fortuna Düsseldorf und kommen dabei nur zu einem 0:0, tags darauf besiegen Hannover 96 und der SC Paderborn jene Vereine, die nicht nur vor dem HSV in der Tabellen stehen, sondern von allen Experten und Leuten wie ich es bin, schon in Liga eins gesehen worden waren. Und nun? Ja nun ist wieder alles möglich. Sogar Zweitliga-Meister könnte der HSV noch werden – die Konkurrenz schwächelt und zeigt tatsächlich Nerven. Darmstadt tritt nun zu Hause gegen Magdeburg an, Heidenheim empfängt Sandhausen. Und am Schluss-Sonntag von Liga zwei muss Darmstadt nach Fürth, und Heidenheim tritt in bei Jahn Regensburg an. Für mich hat Darmstadt 98 dabei das schwerste Rest-Programm, und wenn ich so an das Spiel des Spitzenreiters in Hannover denke, so zeigte 98-Coach Torsten Lieberknecht doch einige finstere Mienen-Spiele, die nicht für einen grenzenlosen Optimismus der Hessen sprechen.


Trotz der riesengroßen Euphorie, die nun wieder in Hamburg ausgebrochen ist: Der HSV hat mit diesem 5:1 in Regensburg keineswegs den Europapokal gewonnen, sondern muss zunächst selbst die Hausaufgaben machen (zweimal siegen!) und dazu noch auf Ausrutscher der beiden noch führenden Vereine hoffen.



Wahrscheinlich wird HSV-Trainer Tim Walter nun wieder seinen (einen) Lieblingssatz vom Stapel lassen: „Wir bleiben bei uns.“ Wahrscheinlich aber wird er auch sagen: „Sag ich doch, dass wir in der nächsten Saison in der Ersten Bundesliga spielen werden – egal was die Kritiker auch immer von sich geben.“ Und sehr wahrscheinlich liegt er damit sogar völlig richtig. Jetzt ist wirklich doch noch alles drin! Der 5:1-Auswärtssieg in Regensburg war jedenfalls nicht nur hilfreich beim Wiederaufstiegs-Unterfangen, sondern vor allen Dingen auch äußerst beeindruckend. Die ersten Halbzeit ist fast sensationell zu nennen, das muss man so sehen, es war die reinste Fußball-Gala – würde Dittsche sagen. Und zu diesem Auftritt kann und muss man dem HSV gratulieren. Und Tim Walter natürlich auch.



Die Rothosen legten großartig los. Eine Abtastphase gab es nicht. Bakery Jatta flitzte rechts auf und davon, flache Eingabe – Robert Glatzel lenkte sehenswert in die lange Ecke, sein neuntes Saisontor. Das war in der vierten Minute. 180 Sekunden später köpfte Glatzel nach einer Dompe-Flanke aus vier Meter weit vorbei. Diese Szene offenbarte aber schon die Hilflosigkeit der Regensburger, die gesamte Mannschaft des Abstiegskandidaten war total überfordert. Mein neben mir sitzender jüngster Sohn sagte nach zehn Minuten: „Das sieht heute nach einem zweistelligen HSV-Sieg aus. . .“ Der Kölner Keller sorgte in Minute 15 für einen Foulelfmeter, den Sonny Kittel Sekunden nach der Überprüfung souverän verwandelte – 2:0. Das dritte HSV-Tor bereitete Ludovit Reis mit einem Super-Alleingang auf der Linksaußen-Position vor, seine Eingabe verwandelte der mitgelaufene Miro Muheim aus 16 Meter sehenswert. Und in der Nachspielzeit von Halbzeit eins spielte noch einmal der überragende und kaum zu bremsende Bakery Jatta die Jahn-Abwehr schwindelig, brachte den Ball flach zur Mitte, Glatzel verfehlte, aber der hinter ihm lauernde Kittel hatte leichtes Spiel, aus knapp elf Metern mit links zu verwandeln.


Im zweiten Durchgang ließ es der HSV dann etwas ruhiger angehen, sonst wäre es wahrscheinlich zweistellig geworden. Allerdings muss auch festgehalten werden, dass Regensburg nun wesentlich härter und aggressiver zu Werke ging, genau so, wie es eigentlich von Anfang an hätte der Fall sein müssen – im unerbittlichen Abstiegskampf. Kurios das 1:4 in der 55. Minute: Joshua Mees schoss, ziemlich unbewacht, aus halblinker Postion, HSV-Keeper Daniel Heuer Fernandes parierte, der Ball prallte Jahn-Stürmer Kaan Caliskaner an die Brust und von dort auf die Torlinie, dort köpfte Sebastian Schonlau die Kugel zur Seite, Muheim schlug den Ball aus dem Strafraum – kein Tor. Schiedsrichter Alexander Sather hatte kein Tor-Zeichen von seiner Uhr empfangen, also hatte Regensburg ganz offenbar keinen Treffer erzielt – erst der VAR hatte den Unparteiische nach fast einer Minute darauf aufmerksam gemacht, dass es nun doch 1:4 zu stehen hat. Im Fernsehen sah jeder, dass der Ball deutlich „drin“ war, es wurde auch immer Caliskaner als Torschütze genannt, für mich aber war es ein Eigentor von Schonlau. Der HSV-Kapitän hätte den Ball in höchster Not (zugegeben) durchaus noch nach vorne köpfen können, statt ins Tor – das soll aber wirklich kein Vorwurf sein! Nur die Erklärung, warum es für mich ein Eigentore wäre.



Der HSV hatte nach diesem Treffer leicht den Faden verloren, ohne dass aber Gefahr aufkam, dass die Regensburger dieses Spiel noch einmal spannend machen könnten. Trainer Walter wechselte dann auch großzügig aus und ein: Anssi Suhonen und Ransford-Yeboah Königsdörffer kamen (für Reis und Dompe), danach auch Filip Bilbija, Javi Montero und William Mikelbrencis (für Kittel, Jonas Meffert und Jatta). Und zwei der eingewechselten Hamburger sorgten dann auch für den Endstand: Glatzel bediente Suhonen, dessen Schuss parierte der junge Jahn-Torwart Jonas Urbig, doch den Abpraller schoss Bilbija zum 5:1-Sieg ein. Erfreulich daran war nicht nur, dass der VAR eine vermeintliche und auch von außen angezeigte Abseitsstellung des Torschützen aufhob, sondern auch die Tatsache, dass Bilbija von fast allen Teamkollegen begeistert, fast enthusiastisch gefeiert wurde – es war sein erstes Tor für die HSV-Profis! Dieser Jubel spricht wirklich für einen tollen Teamgeist in der Truppe.


Kurz noch zu einer ganz kleinen Einzelkritik: Bakery Jatta, der nach seiner Auswechslung von den mitgereisten HSV-Fans lautstark und lange gefeiert wurde, war an diesem Nachmittag der beste Spieler auf dem Rasen. Stark auch Kittel und Reis, viele gute Szenen hatte auch einmal wieder (vornehmlich in Halbzeit eins) Jean-Luc Dompe. Solide spielte die Viererkette mit Moritz Heyer, Jonas David (stark verbessert, kaum ein Fehler!), Schonlau und Muheim – aber man muss ehrlich sein: Sie wurden von den harmlosen Regensburger Angreifern auch kaum gefordert. Ebenfalls solide spulte Jonas Meffert auf der Sechs sein Pensum herunter, und ganz vorne schien Glatzel diesmal wieder etwas unternehmungslustiger zu sein, als bei seinen jüngsten Auftritten.



Eines muss ich noch erwähnen: Tim Walter hatte kürzlich erklärt, dass er keine Spiele der Zweiten Bundesliga sieht. Ich hatte hier und an dieser Stelle geschrieben, dass das eine „Verarschung“ von ihm sei. Nun erklärte er vor dem Regensburg-Spiel: „Wir haben mit dem Trainer-Team am Abend vor einem Spiel immer ein paar Dinge zu regeln, aber grundsätzlich laufen die Spiele oder auch nur das eine Spiel, was übertragen wird, nebenher." Nebenher also. Ich hoffe trotz allem, dass sich einer aus dem TT (Trainer-Team) gewisse Notizen macht. Nebenher. Zum Beispiel wer und wohin die Freistöße des kommenden Gegners schießt, oder auch die Elfmeter, oder wer wo seine Schwächen in der Defensive hat – da gäbe es ja doch noch einiges, was man als Trainer seiner Mannschaft noch vor dem Spiel vermitteln könnte. . .





Und ganz schnell noch zur U21 des HSV. Die Mannschaft von Trainer Pit Reimers ist Tabellenführer in der Regionalliga Nord und blieb mit einem 1:0-Sieg (Torschütze Bryan Hein) gegen Teutonia 05 bereits zum 16. Mal unbesiegt. Weil der VfB Lübeck als Tabellenzweiter nun 1:3 in Havelse verlor, hat der HSV-Nachwuchs zwei Spieltage vor Schluss vier Punkte Vorsprung – es winkt der Meistertitel. Eine Super-Leistung der HSV-Zweiten – aber aufsteigen in Liga drei wird Lübeck, weil der HSV bereits vor Wochen darauf verzichtet hat. Die junge Mannschaft wird deshalb wohl auseinander fallen, was sehr, sehr schade ist.


Zum FC St. Pauli. Ein Aufstieg ist nach der Nullnummer gegen Düsseldorf kein Thema mehr, aber die Euphorie rund um das Millerntor hält weiter an. Völlig berechtigt. Die Braunen hatten in Halbzeit eins alles fest im Griff, hatten auch gute und beste Chancen, nutzten sie nur nicht. Im zweiten Durchgang kamen die Fortunen besser ins Spiel, hatten aber auch nur eine große Möglichkeit, als der eingewechselte Jona Niemiec, der noch für viel Wirbel sorgte, vor Torwart Nikola Vasilj auftauchte und schoss, doch der alle überragende Karol Mets grätschte in diesen Schuss und lenkte den Ball gegen die Querlatte (68.). Es war die einzige Szene, in der Vasilj in diesem Spiel zu Boden gehen musste, ansonsten hatte St. Paulis Keeper nichts zu halten. Wobei er in meinen Augen diese für mich unsägliche „Torwart-Daddelei“ einmal mehr übertrieb. Auch in der vorangegangenen Latten-Szene war das so. Er hielt den Ball lange am Fuß, spielte ihn dann, weil er bedrängt wurde, zentral in die Mitte, wo der Kollege nicht Herr der Lage wurde, Niemiec übernahm die Kugel und scheiterte – wie geschildert - nur knapp. Ich verstehe wirklich nicht, warum Trainer Fabian Hürzeler da nicht einmal ein Machtwort spricht und dem guten Vasilj diese risikoreiche Daddelei verbietet! Vielleicht ist die Motivation von Vasilj auch diese: Weil er in den Spielen kaum einmal etwas zu halten hat, steht er ja viel selten im Blickpunkt. Um aber dennoch hin und wieder ins Fernsehen zu kommen, hält der den Ball eben lange, lange und länger – und die Kamera zeigt ihn dabei stets groß im Bild.

Nein, ein kleiner Scherz. Hoffe ich jedenfalls.


In Halbzeit eins spielte St. Pauli wirklich wie aus einem Guss, hatte 12:1 Torschüsse, in Halbzeit zwei brachen dann einige Herren etwas ein: Oladapo Afolayan zum Beispiel, Lukas Daschner zum Beispiel, Leart Paqarada zum Beispiel. Letzterer hatte ohnehin nicht seinen besten Tag, meckerte oder moserte jedoch immer dann, wenn Mitspieler nicht so funktionierten, wie er es gerne hätte. Paqaradaas Freistöße an diesem Tag waren – ganz nebenbei – eine absolute Zumutung, es waren sämtliche Bälle von ihm nur als Rohrkrepierer unterwegs. Da hätte ich dann an seiner Stelle mal ganz fleißig den Mund gehalten, bevor ich Fehler bei Mitspielern suche. . . Aber das ist jeder eben anders. Apropos einbrechen: Bei Fortuna Düsseldorf gab es gegen Spielende einige Wadenkrämpfe – die gab es bei St. Pauli nicht! Das sollte dann auch positiv erwähnt werden.


Überzeugt und begeistert hat mich wieder einmal die Kopfballstärke St. Paulis. Die Gegner können gegen Jakov Medic, Eric Smith, Karol Mets und Jackson Irvine kaum ein luftiges Duell gewinnen. Das ist bärenstark. Wobei Mets an diesem Abend wirklich eine erstligareife Partie abgeliefert hat, er hatte sich die Note eins verdient! Dass Trainer Hürzeler mit Elias Saad den für mich noch besten Stürmer frühzeitig auswechselte, konnte ich dennoch verstehen, denn der junge Mann kam ja bekanntlich erst im Winter aus der Regionalliga (Eintracht Norderstedt) ans Millerntor und hängt ganz sicher noch körperlich ein wenig durch. Dennoch hat mich Saad auch diesmal wieder fasziniert. Er, ein Fußball-Ästhet, musste oft gegen „Eisenfuß“ Christoph Klarer, der einen Kopf größer und einen Meter breiter ist als Saad, in die Zweikämpfe, machte das aber wirklich ganz ausgezeichnet und ohne jede Furcht. Das erkannte sogar Sky-Experte Thorsten Mattuschka an, denn er sagte während des Spiels: „Tolle, kleine, flinke Bewegungen mit dem Ball, der Mann kann wirklich großartig dribbeln – da muss man der Scouting-Abteilung des FC St. Pauli mal ein großes Lob aussprechen, dass sie einen solchen Spieler in der vierten Liga entdeckt und geholt haben!“ So ist es – und nicht anders. Es müssen nämlich nicht immer nur Millionen zum Fenster hinausgeschmissen werden, um einen gute Fußballer zu verpflichten!


Etwas Pech hatte St. Pauli diesmal mit einer Entscheidung des Schiedsrichters. In der 38. Minute wollte Saad wohl schießen, oder doch eher flanken (?), war allerdings für eine Flanke schon zu weit vor dem Düsseldorfer Tor, als der grätschende Andre Hoffmann den Ball an den Unterarm bekam. Hand? Elfmeter? St. Pauli protestierte drinnen wie draußen lange und aufgeregt, doch der Unparteiische Dr. Matthias Jöllenbeck gab sich unbeeindruckt und ließ weiterspielen. Und da auch aus dem Kölner Keller keine Regung kam, war die Sache damit erledigt. Leider, sage ich. Auch heute noch. Aber es war wohl so: Der Ball von Saad prallte zuerst das Bein von Hoffmann und erst danach an den Arm. „Ich kann jeden im Stadion verstehen, der es mit St. Pauli hält und der Hand schreit, wenn der Ball so deutlich an die Hand geht, ich würde es ja genauso machen", sagte Hoffmann später bei „Sky". Dr. Jöllenbeck zu dieser Szene: „Entscheidend war, dass der Ball vom Oberschenkel des Spielers an seinen Arm springt, deshalb war das kein Elfmeter."

Schade.

So war der HSV der Gewinner des 0:0-Spiels FC St. Pauli gegen Fortuna Düsseldorf.


Gut bei St. Pauli, ich erwähnte es schon, die Dreierkette Medic, Smith und Mets. Im Vierer-Mittelfeld überzeigten Maolis Saliakas und Irvine, Marcel Hartel war fleißig wie immer (traf einmal die Querlatte!), konnte ansonsten aber nicht einen solchen Einfluss auf das Spiel nehmen, wie sonst meistens. Über Paqarada habe ich bereits alles geschrieben, nicht allerdings über seinen Querschläger in der 93. Minute: Flanke von rechts, der Kapitän nimmt den Ball volley und will ihn, schon links im Strafraum stehend, mit dem Außenspann auf das Tor dreschen – und haut den Ball Richtung Haupttribüne. Die Krönung seines Spiels!

Da ich auch über die St.-Pauli-Offensive bereits alles geschrieben habe, bin ich nun am Ende.


Zum „großen“ Fußball gibt es diesmal nicht viel zu schreiben. Dass es Gerüchte über eine Entlassung von Mönchengladbachs Trainer Daniel Farke gibt, kommt für mich nicht überraschend, ich rechne fest damit, dass mit Beginn der nächsten Saison ein neuer Chef-Coach auf der Bank der Borussen sitzen wird.


Etwas Mitleid hatte ich mit Werder, muss ich schon sagen, denn die Bremer spielten in Leipzig lange großartig mit, sogar bis zur 87. Minute mit 1:0 – und kassierten in der 96. Minute noch das 1:2. Das war ganz, ganz bitter für die Norddeutschen. Absteigen werden die Werderaner aber nicht, das machen andere Klubs unter sich aus: Hertha BSC ist in meinen Augen schon weg vom Fenster, ich glaube zudem, dass sich Schalke 04 dazugesellen wird – und dass der VfL Bochum in die Relegation geht. Eventuell aber auch noch Hoffenheim. Und oben? Meister wird wieder der FC Bayern, ganz klar – oder glaubt jemand von Euch im Ernst, dass Red-Bull-Salzburg (so nenne ich die Leipziger immer!) in München etwas reißen kann? Nie im Leben. Sage ich mal so. Ihr wisst ja aber auch, dass ich ein ganz lausiger Tipper bin . . .


In diesem Sinne, ich wünschen Euch und Euren Lieben eine sonnige, erfolgreiche und gesunde Woche, genießt jede Minute bevor es wieder schlechter wird,


Dieter Matz




Dieter Matz - Der Blog

Folge 16/2023

Online seit 08.05.2023 


Das Drama in fünf Akten (!) geht weiter. Oder das Drama mit fünf Zweitliga-Jahren. . . Nur 2:2 gegen den SC Paderborn, der HSV wird wahrscheinlich wie im Vorjahr in die Relegation müssen. Der Aufstieg ist zwar noch möglich, auch durch das 0:0 der Heidenheimer gegen Magdeburg, aber die Rothosen hatten es vor zwei Monaten noch selbst in der Hand, direkt aufzusteigen, doch dann gab es eine Serie, die nicht für einen Aufstieg tauglich war: In den vergangenen acht Spielen gab es lediglich zwei HSV-Siege. Diese Statistik ist aus Hamburger Sicht in dieser so entscheidenden Saison-Phase ganz einfach zu negativ. Trotz allem gibt sich Trainer Tim Walter weiterhin kämpferisch, er resümierte nach dem Unentschieden am Freitag: „Das Glück ist uns leider nicht hold. Der HSV muss sich immer alles hart erarbeiten, aber trotz allem lamentieren wir nicht - wir trotzen allen Widerständen." Mag sein. Nur die Sache mit dem Glück, die sollte der Coach vielleicht noch einmal im stillen Kämmerlein und allein für sich überdenken, denn im Derby gegen St. Pauli gab es einen 4:3-Sieg, der von vielen, vielen Fußball-Fans als enorm glücklich bezeichnet wurde – und immer noch wird.



Die Relegation könnte es nun noch einmal werden. Die hat einst der ehemalige HSV-Boss Werner Hackmann, der am 28. Januar 2007 im Alter von nur 59 Jahren viel zu früh starb, wieder eingeführt. Damals war der ehemalige Hamburger Innensenator als Chef des HSV auch zur Deutschen Fußball-Liga gewechselt, deren Präsident er dann war. Hackmann verriet mir einst im Block House am Gänsemarkt, dass er die Relegation gegen den Widerstand vieler Vereine wieder in das Programm aufgenommen habe. Dass er damit sogar „seinem“ HSV irgendwann einmal die Chance geben würde, wieder in die Erste Bundesliga aufzusteigen, ahnte er seinerzeit sicherlich nicht. Nun könnte das zum zweiten Male nach 2022 der Fall werden. Höchst gruselig.



Aber so gruselig begann ja auch schon das Spiel gegen Paderborn. In der ersten Minute hatte Sirlord Conteh, der einst bei Concordia Hamburg mit dem Fußball begann, dann u. a. auch in Sasel, und bei St. Pauli (vornehmlich Zweite) war, bereits HSV-Torwart Daniel Heuer Fernandes umkurvt, doch HSV-Kapitän Sebastian Schonlau kratzte den Ball noch von der Torlinie. Den anschließenden Eckstoß nutzte dann der ehemalige HSV-Spieler Maximilian Rohr zu einem Kopfball, dem alle nur hinterher gucken konnten – Pfosten. Da war das Glück dem HSV dann doch noch einmal hold. In den folgenden 120 Sekunden hatten die Ostwestfalen noch zweimal das 1:0 auf dem Fuß, doch die Kugel wollte noch nicht ins HSV-Gehäuse. Obwohl es verdient gewesen wäre, denn in dieser Anfangsphase zeigte sich vor allem die HSV-Defensive wieder einmal total chaotisch – und nicht zweitliga-reif.



Nach einer Viertelstunde aber fanden die Rothosen ins Spiel und dominierten das Geschehen. Als Robert Glatzel in der 39. Minute auf Vorlage von Jean-Luc Dompe das Führungstor markiert hatte, sprach alles für einen Heimsieg. Aber nur bis zur 43. Minute. Dann bediente Conteh seinen Kollegen Julian Justvan, der den Ball aus 16 Metern sehenswert und unhaltbar ins HSV-Tor schlenzte. Halbzeit und lange Gesichter im Hamburger Lager.



Gleich nach dem Wiederanpfiff sah es wieder nach einem Hamburger Erfolg aus. Sonny Kittel hatte einen amateurhaften Fehler der SCP-Abwehr ausgenutzt. Was muss im Kopf eines Torhüters vorgehen, wenn er den Ball zentral einem Mitspieler an der Strafraumgrenze in die Füße spielt – und dieser Mitspieler von gegnerischen Akteuren umzingelt ist? Keeper Jannik Huth machte es, er spielte Tobias Müller an, und der dachte wohl, er hätte alle Zeit der Welt. Denkste. Kittel luchste ihm die Kugel ab, umkurvte Huth und schoss ein zum 2:1 (49.). Dass der Torschütze anschließend auf die Haupttribüne zulief und beide Hände an seine Ohren hielt, hätte er sich allerdings sparen können. Was sollte diese Geste zeigen? Ich bin eine beleidigte Leberwurst? Dass ihn die Zuschauer über fast die gesamte Saison total falsch gesehen haben? Dass er ja viel besser ist, als viele denken, sagten, kundtaten? Lächerlich. Kittel hat beim HSV einen Fürsprecher, der heißt Tim Walter. Der hat seinem Schützling, ich will extra nicht schreiben „Liebling“, viele, viele Chancen eingeräumt, die der frühere Unterschiedsspieler leider nie genutzt hat. Jetzt wird Kittel den HSV im Sommer verlassen – und das ist auch gut so!



Nach diesem 2:1 hätte Moritz Heyer nach einer Dompe-Vorlage (oder sollte es ein Schuss sein?) das dritte HSV-Tor erzielen können, ich sage, er hätte es erzielen müssen, aber er scheiterte aus zwei Metern, indem er den Ball ins Toraus grätschte. Die entscheidende Szene des Spiels? Bei einem 1:3 wäre Paderborn wohl nicht mehr zurückgekommen, aber so?



Und nun muss ich Euch mal in meine Gedankenwelt mitnehmen. Den folgenden Absatz habe ich so geschrieben, wie ich es wahrgenommen habe. Ich lasse diesen Absatz einmal so stehen, wie ich ihn formuliert habe. Er ist falsch, das möchte ich jetzt schon mal sagen! Und nun bitte, O-Ton (oder O-Geschreibsel Matz sen.):


So nahm das Unheil seinen Lauf. Paderborns Florent Muslija lief mit dem Ball an der Torauslinie aus dem Strafraum heraus, Miro Muheim hauteng hinterher. Zentimeter vor der Strafraumlinie gab es einen kleinen Kontakt, der zu einem – für mich – unfassbaren Elfmeter führte. War das ein Foul? Ich hätte da keinen Strafstoß gegeben, aber Schiedsrichter Robin Braun zeigte zum Entsetzen vieler Hamburger auf den Punkt. Dass etliche Fußball-Fans von einem „Sinnlos-Foul“ von Muheim sprachen, dass einige auch ein „Umtreten“ von Muslija erkannt haben wollten, tut mir wirklich weh. Ich bin kein Muheim-Fan, ganz gewiss nicht, aber diesmal muss ich ihn ein wenig in Schutz nehmen – diese Szene war Pech, war auf jeden Fall so nicht gewollt.


Jetzt folgt die Richtigstellung:

Mein jüngster Sohn (38) hat mich zum Glück noch aufgeklärt, wie es richtig war mit diesem Elfmeter. Er sagte mir nämlich, dass Muheim dem Paderborner Muslija mit dem linken Fuß auf den linken Fuß, genauer in die Achillesferse, gestiegen ist. Und zwar voll und eindeutig im Strafraum. Ich würde Euch dazu gerne ein Foto zeigen, das es im Internet gibt, aber ich weiß nicht, ob ich das aus rechtlichen Gründen zeigen darf. Deswegen möchte ich Euch nur sagen, dass es ein solches Foto gibt, und wer von Euch Lust hat, der kann es sich ja gerne suchen. Ich war jedenfalls perplex, als ich das sah, denn so hatte ich diese Elfmeter-Szene im Fernsehen nicht ein einziges Mal gesehen – oder wahrgenommen. „Mann“ wird wohl doch alt. Ich muss deswegen gestehen: Das war eindeutig ein klarer Elfmeter, ich nehme den oben geschriebenen Absatz vollumfänglich mit dem größten Bedauern zurück. Sorry. Ich werde das Internet-Foto zur „Sicherheit“ an Udo Grabner schicken, und wer will und kann, der kann sich dann ja bei Udo. . . Wenn er denn mitspielt

Ich lasse diese Passage extra „drin“, weil ich denke, dass es den einen oder anderen von Euch gibt, der die Szene ähnlich gesehen hat wie ich.


Und nun weiter in meinem „normalen“ Bericht:

Woran ich mich erinnere: Sekunden vor diesem 2:2, das Muslija mit dem verwandelten Elfmeter erzielt hatte, schrieb ich einem Freund: „Wenn der HSV gegen die hier nicht gewinnt, sollten sie die Sache mit dem Fußball noch einmal grundlegend überdenken – und vielleicht sogar einstellen, sich andere Berufe suchen.“



Ja, so geht Fußball. Wieder nur ein Unentschieden. Als die HSV-Spieler nach dem Schlusspfiff in Richtung Norden gingen, um sich bei den Fans für die 90-minütige Unterstützung zu bedanken, da habe ich an alte, frühere Zeiten gedacht, in denen die Spieler gnadenlos niedergemacht wurden, in denen sie mit Bier geduscht und sogar angespuckt wurden. Diese Zeiten sind (wohl) vorbei, die Fans feierten ihre Lieblinge, klatschten und winkten ihnen zu. Sensationell. Das ist wirklich hervorragend, so macht Fußball Spaß – auch wenn es nicht immer mit einem Sieg endet!


In Sachen Einzelkritik muss ich Euch gestehen, dass ich mich damit in der jüngeren Vergangenheit leider sehr schwer tue. Weil ich niemanden erkenne, der wirklich gut oder sogar überragend war. Daniel Heuer Fernandes war an den Gegentoren schuldlos, hielt das, was er halten musste. Die Viererkette ist eine von tausenden Viererketten, die des HSV aber ohne jede Souveränität, ohne auch nur ein wenig zu überzeugen. Alle diese Spieler, dass ist hoffentlich für jeden erkenntlich, sind für diesen (Profi-)Beruf zu langsam. Damit fängt das Elend schon an. Jonas Meffert, zuletzt schmerzlich vermisst, spielt den Sechser zwar solide, aber mehr auch nicht. In den entscheidenden Szenen wünschte ich ihm ein defensiveres Denken und Verhalten. Eben genau so, wie es ein Sechser an den Tag legen muss – oder sollte.



Ludevit Reis kann mehr, als er auch diesmal wieder zeigte, die Rückrunde läuft nicht so gut wie noch alles im Herbst bei ihm. Laszlo Benes hatte kaum Szenen, in denen man erkennen konnte, dass er aus der Ersten Liga zum HSV gekommen ist. In diesem Jahr ist er für mich in den meisten Spielen nur eine Enttäuschung. Sonny Kittel versuchte einiges, schaffte aber nur wenig – auch wenn er ein Tor erzielte. Robert Glatzel rackerte viel, aber richtig torgefährlich war er leider wieder nur einmal. Und Jean-Luc Dompe begann, anders als seine Mitspieler, durchaus gut, konnte dieses Niveau aber höchstens 30 Minuten halten – und ging dann brav und harmlos unter. Ja, so ist es um den HSV 2023 im Mai bestellt. Aber: Die Hoffnung stirbt zuletzt!


Seiner Linie treu bleibt aber ewig und immer wieder Tim Walter. Der Coach fand doch noch sehr viel Gutes an diesem Spiel. Sagte zum Beispiel: „Die Zuschauer honorieren, was wir hier in den zurückliegenden Jahren geschaffen haben, und diesen Weg gehen wir genauso weiter." Dass er mit der total verkorksten Anfangsphase nicht zufrieden war, liegt auf der Hand, aber er sagte zu der dann folgenden Steigerung seines Teams: „Dann jedoch haben wir genau das gemacht, was wir unbedingt wollten. Da waren wir bedingungslos und leidenschaftlich.“ Und er sagte noch etwas, was mich ein wenig verwirrte: „Und zwar in beide Richtungen." Da mag sich jeder von Euch seinen eigenen Reim drauf machen. . .

Schlusswort von Kapitän Sebastian Schonlau: „Wenn es nicht anders gehen sollte, dann spielen wir eben die Relegation. Die reden alle zwar immer ganz schön negativ, aber es stehen dann zwei Spiele an, in denen wir es selbst in der Hand haben, wo wir nächste Saison spielen werden.“

Mal ganz abgesehen vom Paderborn-Spiel: Immer mehr Bekannte und auch Ex-Kollegen suchen nach den Ursachen, warum der HSV nur auf Platz drei rangiert, aber ein Verein, zum Beispiel Darmstadt, nun aufsteigt, der lediglich ein Stadion mit einem Fassungsvermögen von 17 000 Zuschauern hat? Oder zum Beispiel Heidenheim. Das ist eine Stadt, die im Herbst 2022 in etwa 134 000 Einwohner hatte. Beide Vereine aber aus diesen Städten stehen auf den direkten Aufstiegsplätzen zur Ersten Liga. Nun ist mir bewusst, dass Einwohnerzahlen oder das Fassungsvermögen eines Stadions nicht unbedingt etwas mit einem direkten Bundesliga-Aufstieg zu tun haben – aber Hamburg, da sind sich doch alle Experten einig, gehört in die Erste Liga. Und der HSV versucht es nun schon seit fünf Jahren – und hatte als Saisonziel nur ein Wort ausgegeben: AUFSTIEG.



Um auf meine Bekannten, Freunde und Ex-Kollegen zurückzukommen. Sie alle grübeln. Warum schafft es der HSV nicht? Drei Punkte aus den letzten sechs (!) Auswärtsspielen – sicher ein Grund. Dann soll der gesperrte (wegen Dopings) Mario Vuskovic fehlen. Er fehlt mit Sicherheit. Ich glaube aber, dass er dem HSV und einigen Verantwortlichen erst seit ein paar Wochen „richtig“ fehlt. Im Herbst und in den Wintertagen des vergangenen Jahres hat das fast niemand vom HSV personalisiert und thematisiert. Erst jetzt, wo die Bude immer schön vollgehauen wird, da fehlt Vuskovic auch bei den Offiziellen – wie dem Trainer. Das ist mir zu einfach.

Dann soll auch Daniel Heuer Fernandes ein Punkt sein, warum es nicht so lief wie gewünscht. Es stimmt wohl, dass der Torwart in diesem Jahr noch keine Unhaltbaren in Serie gehalten hat, es stimmt wohl auch, dass er in 2023 bislang noch nicht an seine überragende Form aus dem Vorjahr anknüpfen konnte – aber hat Heuer Fernandes nun Schuld? Ich bin absolut nicht dieser Meinung. Ich denke eher, dass er dafür gesorgt hat, dass der HSV mit dieser Abwehr einige Spiele nicht verloren hat, die mit Niederlagen hätten enden können. Wenn der Keeper nicht gewesen wäre.


Schuld soll an der Misere des HSV auch sein, dass Sebastian Schonlau und Jonas Meffert in wichtigen Spielen gefehlt haben. Bei den vorgenannten Klubs aber sind auch Spieler ausgefallen – damit müssen alle mal leben. Schuld soll auch sein, dass Robert Glatzel nicht mehr so häufig ins gegnerische Tor trifft. Wie noch im Herbst. Kann sein, aber selbst die größten Torjäger (Gerd Müller, Uwe Seeler, Horst Hrubesch) durchliefen einst Phasen, wo sie nichts trafen – nur Bekannte. So ist Fußball. Wenn es so ist, dann müssen – oder müssten – eben Teamkollegen in die Bresche springen. Dafür gibt es in jeder Mannschaft Rückennummern bis in die 30 hinein. Diese Jungs werden alle sehr, sehr gut bezahlt. Die in Hamburg sicher noch besser als die Herren in Darmstadt oder Heidenheim.





Schuld sollen eventuell auch Ludevit Reis sein, der stark nachgelassen hat, oder auch Jean-Luc Dompe, der eine glänzende Hinrunde gespielt hatte, der sich dann aber als Formel-1-Fahrer am Hafen versuchte und von der Polizei geschnappt wurde. Seit dieser Zeit läuft er seiner Form hinterher. Aber Schuld? Auch an ihm liegt es sicher nicht. Es spielen eben viele Dinge in diesen HSV hinein. Für mich steht, das muss ich zugeben, an erster Stelle die Viererkette mit Moritz Heyer, Sebastian Schonlau, Jonas David und Miro Muheim, die zu schwach ist. Und dann komme ich gleich darauf, dass die Verantwortlichen diesen Umstand spätestens im Winter hätten erkennen müssen. Da waren dringend Verstärkungen erforderlich. Dringend. Ich möchte keine Selbstbeweihräucherung betreiben, aber ich habe gegen Ende 2023 genügend oft von dieser Achillesferse des HSV geschrieben. Außerdem muss ja auch festgehalten werden, dass Heyer ja nur ein „Aushilfs-Verteidiger“ ist, er spielt ja eigentlich im Mittelfeld.

Ich traf am Tag des Paderborn-Spiels nachmittags einen Bekannten, der mit mir (natürlich) über den HSV sprach. Das gipfelte darin, dass er sagte: „Der HSV hat in Wirklichkeit nur eine mittelmäßige Zweitliga-Mannschaft.“ Ich antwortete ihm spontan: „Dann aber hat der Trainer ja doch etwas ganz Außerordentliches geleistet – wenn er mit einer nur mittelmäßigen Mannschaft so weit oben gelandet ist. . .“ Kann ja auch sein, oder?



Wenn Ihr mir erlaubt, dann werde ich einmal zwei Vereine gegenüberstellen. In Sachen Personalien. Den HSV und den FC St. Pauli.

Die Rothosen holten im Sommer William Mikelbrencis (FC Metz), Jean-Luc Dompe (Zulte Waregem), Filip Bilbija (Ingolstadt), Laszlo Benes (Mönchengladbach), Ransford-Yeboah Königsdörffer (Dresden), Xavier Amaechi (Bolton Wanderers) und Ogechika Heil (Go Ahead Eagles), dann im Winter Andras Nemeth (KRC Genk), Javi Montero (Besiktas Istanbul) und Noah Katterbach (FC Basel). Auf die Kauf- oder Leih-Summen einzugehen verzichte ich bewusst, da sie ja doch meistens nur (ungenau) geschätzt sind. Fest steht für mich aber, dass der HSV mehr Geld zur Verfügung hat als der Nachbar FC St. Pauli.

Der holte im Sommer Manolis Saliakas (PAS Giannina), Connor Metcalfe (Melbourne City FC), dazu im Winter (!) Oladapo Afolayan (Bolton Wanderers), Karol Mets (FC Zürich) und Elias Saad, das „Schnäppchen“ von Eintracht Norderstedt.

Jetzt schon mal, an dieser Stelle, dürft Ihr Vergleiche anstellen. Ich mache das jetzt auch und stelle fest: Im Winter hat St. Pauli auf jeden Fall zwei Volltreffer gelandet: Mets und Afolayan. Ich gehe auch noch weiter und denke, dass sich Saad bestimmt noch weiter nach oben entwickeln wird, er starte gerade richtig gut durch. Gegen den HSV traf der ehemalige Buxtehuder Saad, beim sensationellen 3:0-Sieg der Braunen in Darmstadt traf er zum zwischenzeitlichen 2:0. Auf dieses Spiel komme ich noch, keine Angst. Weiter geht‘s: Dazu verpflichtete St. Pauli im Sommer Verteidiger Saliakas, der super und großartig eingeschlagen ist. Ich behaupte, dass der HSV keinen Abwehrmann dieser Klasse in seinen Reihen hat. Saliakas ist ein Mann von absolutem Erstliga-Niveau. Vom FC St. Pauli entdeckt und verpflichtet! Kompliment! Und Mets macht es hinten links bei St. Pauli ebenfalls ausgezeichnet - es läuft auf jeden Fall hinten links bei St. Pauli, und zwar besser als beim HSV hinten links. Und vorne? Da haben die Braunen einen Wirbelwind aus England geholt, Afolayan hat maßgeblichen Anteil daran, dass die Braunen nach der Winterpause so dermaßen durch die Decke marschierten.

So sieht‘s aus – würde es bei Sport 1 (und im Doppelpass) heißen.

Und jeder von Euch darf sich dazu ein Gesamtbild machen – wo ist es wohl in dieser (Einkaufs-)Disziplin besser gelaufen?



Für HSV-Coach Tim Walter gibt es allerdings andere Gründe, warum es nicht so super lief, wie er es erhofft hatte. Und nicht nur er denk so – natürlich. Walter stellte nun im Gespräch mit dem „Kicker“ klar: „Wir müssen die gesamte Rückrunde über improvisieren, haben Ausfälle, müssen immer wieder umstellen, das ist anders als in der Hinserie.“ Aber es gibt auch immer wieder Kritik (auch von Experten), dass Walters Spielstil nicht mehr so richtig passt – oder veraltet ist. Der 47-Jährige will von dieser Kritik absolut nichts wissen: „Unser Spielstil hat uns dahin gebracht, wo wir sind." Der HSV hat dabei aber den teuersten Zweitliga-Kader dieser Saison, aber Walter lässt sich nicht locken, er sagt selbstbewusst: „Ich bin Überzeugungstäter, wir alle sind Überzeugungstäter. Die Mannschaft steht mit der Art, wie wir Fußball spielen, dahinter, sonst würde sie nicht so spielen, wie sie spielt." Aber auch das ist ja ganz genau ein aktuelles Thema. Viele ehemalige HSV-Spieler (mit großer und größter Vergangenheit) schlagen sich immer die Hände vor die Augen, wenn sie über den Spielstil des HSV reden müssen. Sie schütteln den Kopf und winken ab, weil sie mit dieser Art des Fußballs nichts anfangen können. Und ich gebe Euch mein Ehrenwort, dass es tatsächlich so ist, ich kennen viele „Rothosen“ von damals, die genau so denken. Aber das hatte ich im vergangenen Herbst ja schon bei einem Stammtisch-Abend im Tennis-Heim allen persönlich gesagt, doch an diesem Punkt gab es eben auch genug Widerspruch für mich. Damals wie heute kann ich damit leben, nur stehen wir jetzt alle vor dem Saison-Ende – und dem eventuellen Nicht-Aufstieg des HSV.


Komme ich nun zum FC St. Pauli.

Ich schäme mich fast dafür, dass die Braunen erst jetzt dran kommen – obwohl sie 3:0 beim bis dahin zu Hause noch ungeschlagenen Tabellenführer Darmstadt 98 gewonnen haben. Welch ein grandioser Fußball-Abend! St. Pauli ist wirklich der Wahnsinn. In der Rückrunde von 14 Spielen zwölf gewonnen, die Kiez-Kicker sind das beste (und überragende) Rückrunden-Team in Liga zwei. Herzlichen Glückwunsch. Man stelle sich mal vor, und ich stelle mir das vor, dass St. Pauli am Millerntor noch gegen Braunschweig gewonnen hätte – und dann eine Woche später auch beim HSV. Was ja durchaus möglich gewesen wäre. Wo stünde St. Pauli dann? Es ist alles unfassbar, was da in diesem Jahr am Millerntor passiert ist, wirklich unfassbar. Aber super!



Um ehrlich zu sein weiß ich gar nicht, wie ich mit diesem sensationellen 3:0-Spiel beginnen soll. Ich bin, auch das gebe ich zu, noch total berauscht von dem, was St. Pauli da gespielt hat. 24 Gegentore hatte Darmstadt bis zu diesem Spiel, und dann bekommen sie zu Hause drei auf einem Mal. Natürlich ist dieses Match auch gut gelaufen für die Braunen. Das erste Tor in der 45. Minute. Saad war am linken Strafraumeck gefoult worden, Leart Paqarada brachte den Freistoß zur Mitte (und zwar super!), und dort lief Adam Dzwigala in den Ball und köpfte. Er köpfte den 98-Stürmer Phillip Tietz an, und von dessen Kopf prallte der Ball ins Netz. Für mich ein Eigentor. Und das zur rechten Zeit.



Der zweite Durchgang begann dazu noch mit einer „Hundertprozentigen“. Flanke Paqarada, Kopfball Marcel Hartel aus fünf Metern, leider genau auf Torwart Marcel Schuhen, und der hielt spektakulär. Aber mit dieser Möglichkeit deutete St. Pauli an, wohin der Hase in Halbzeit zwei laufen soll – auf das Darmstädter Tor. Noch einmal Paqarada, der in der 57. Minute aus 18 Metern schoss, Schuhen parierte prächtig, doch Lukas Daschner holte sich das Kunstleder und brachte es von rechts zur Mitte. Vielleicht sollte es ein Torschuss sein, egal, es wurde eine großartige Vorlage für Elias Saad, der sein zweites Zweitliga-Tor erzielte – super! Und die Vorentscheidung. Obwohl Darmstadt drängte und drängte. Aber dabei auch keine wirklich große Chance herausspielte. Die Abwehr um den Turm in der Schlacht, Jakov Medic (Eric Smith fehlte ein weiteres Mal), stand fast immer super-sicher.



In der 84. Minute das 3:0. Ein Bilderbuch-Konter. Darmstadts Matthias Bader war am Ball, rutschte Mitte der St.-Pauli-Hälfte aus, der eingewechselte Lars Ritzka schickte Daschner links auf die Reise, und der lief, lief, lief und lief. Kurz hinter der Strafraumgrenze angekommen, ließ er zunächst den grätschenden Jannik Müller aussteigen, passte dann den Ball zum mitgelaufenen (und zuvor ebenfalls eingewechselten) David Otto, und der hatte quasi leichtes Spiel, musste die Kugel nur noch ins Tor schieben. Ein Super-Tor, wie im Lehrbuch für Konterfußball. Und der Traum war perfekt – Auswärtssieg beim Tabellenführer. Daschner, 24 Jahre alt oder jung, gab später zu: „Vor ein oder zwei Jahren hätte ich wohl selbst geschossen, aber man macht ja eine Entwicklung durch, selbst zu schießen wäre sinnlos gewesen!“ Auch das hat er einfach nur super erklärt. Das ist Fußball. Daschner sagte aber auch resümierend: „Wir hatten, das muss man zugeben, auch ein wenig Spielglück. Das 1:0 kurz vor der Pause hat uns gepusht.“



In der Einzelkritik möchte ich eigentlich niemanden im St.-Pauli-Team herausheben. Sie waren alle stark. Nikola Vasilj hielt gleich in der achten Minute super gegen Fabian Schnellhardt, war danach auch immer voll auf der Höhe. Die Dreierkette Dzwigala, Medic und Karol Mets stand meistens sicher, das Mittelfeld mit Paqarada, Hartel, Jackson Irvine (seine Kopfballstärke war einmal mehr beeindruckend!) und Manolis Saliakas war bärenfleißig, stopfte alle Löcher und spielte meistens den Ball klug und niveauvoll nach vorne. Nur zu Beginn des Spiels gab es einige Fehlpässe, die aber durchaus hätten bestraft werden können, doch es ging gut. Auffällig war, dass sich Paqarada wieder in eine sehenswerte Verfassung gespielt hat. Trainer Fabian Hürzeler über den abwanderungswilligen Mittelfeldmann (er will zum 1. FC Köln): „Paqa ist ein Unterschiedsspieler, er hatte ein kleines Formtief, aber er hat sich da selbst wieder rausgekämpft.“

Vorne bei St. Pauli sorgten Oladapo Afolayan , Lukas Daschner und Elias Saad oft für Entlastung, und sie sorgten auch für Wirbel gegen die eigentlich eisenharte 98-Abwehr. Da hat St. Pauli schon eine spielfreudige und unternehmungslustige Dreier-„Bande“ gefunden, die in dieser Liga wohl jede Abwehr unter Druck setzen kann. Kurz noch zu Saad: Er wurde nach dem Spiel von Sky-Reporter Klaus Veltman interviewt, sein wohl erstes Fernseh-Interview als Profi-Fußballer. Veltman fragte: „Ein Tor gegen den HSV, heute ein Tor in Darmstadt – das muss doch wie ein Märchen für Sie sein, oder?“ Elias Saad (92 Prozent Passquote!) antwortete strahlend: „Davon habe ich geträumt!“



Einen Mann dieses Spiels muss ich dann auch noch besonders loben: Schiedsrichter Tobias Reichel. Der Mann war überragend, ließ sich durch nichts und keinen beirren oder aus der Ruhe bringen, der zog seine Linie super durch – das war Note eins mit Sternchen!



Zwei würdige Schlussworte zu dieser denkwürdigen Partie habe ich dann auch noch: Darmstadts Tobias Kempe gab zu: „St. Pauli war besser!“ Und Sky-Kommentator Torsten Mattuschka befand: „St. Pauli ist immer sehenswert!“



Ganz zum Schluss noch kurz und knapp zum „großen“ Fußball.



In Sinsheim sah Frankfurts Trainer Oliver Glasner die Rote Karte und zeigte sich danach wenig regelkundig. Der Coach hatte aus Protest gegen Schiedsrichter Harm Osmers den Ball kurzerhand auf das Spielfeld geschossen, obwohl da bereits ein Ball vorhanden war. Glasner über seine Einlage: „Das war mein stiller Protest gegen den Schiedsrichter. Ich bin ja nicht ausfällig geworden, dafür habe ich viel zu viel Respekt vor den Unparteiischen, aber dann habe ich halt still protestiert." Und gab dazu noch an: „Ich dachte, ich würde dafür nur Gelb bekommen.“ Manchmal ist nachdenken aber doch besser. Oder sich mal in naher Zukunft in aller Ruhe mit dem Fußball-Regelwerk auseinandersetzen. Das gilt auch für Frankfurts Mario Götze, der Gelb sah, weil er bei der Elfmeter-Ausführung von Andrej Kramaric einen Regel-Verstoß entdeckt haben wollte. Kramaric blieb im Anlauf kurz stehen, was (neuerdings) erlaubt ist, nur der Schuss muss dann „flüssig“ durchgezogen werden. Das wusste der Nationalspieler Götze offenbar nicht und beschwerte sich bei Osmers – Gelb. Dass Glasner später, nach der 1:3-Niederlage seiner Mannschaft, noch die Presse beschimpfte, passt zu dem Bild, was die Hessen im Moment abgeben. Zehn Spiele in der Bundesliga sieglos. . .



Dann noch zu Thomas Tuchel. Der Bayern-Coach wunderte sich nach dem 2:1-Sieg bei Werder Bremen, dass es „100 Fragen zu Thomas Müller gibt“. Viele Experten haben es inzwischen erkannt, dass Müller altersbedingt nicht mehr so richtig gut in Form ist – Tuchel will davon (noch) nichts wissen. Aber er wird es meiner Meinung nach irgendwann einsehen müssen. Mich hat etwas anderes gewundert: Wie die Bayern gefeiert haben. Früher sind sie nach Bremen gefahren und es ging bei ihnen nur um die Frage: „Gewinnen wir 5:0 oder 6:0?“ Nach dem mühevollen 2:1 lagen sich fast alle in den Armen, als sei die Meisterschaft schon perfekt. Serge Gnabry gab zu Protokoll: „Die Freude bei uns in der Kabine war riesig, wir haben richtig toll gefeiert.“ So ändern sich die Zeiten.


Übrigens: Wenn Ihr mich fragt, ob ich den Elfmeter in der elften Minute der Nachspielzeit des Spiels Mainz gegen Schalke gegeben hätte, der zum 3:2-Sieg der Westdeutschen führte, dann sage ich eindeutig: „Ja!“



Eine gute und erfolgreiche Woche wünscht Euch


Dieter Matz




Dieter Matz - Der Blog

Folge 15/2023

Online seit 01.05.2023 


„Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.“ An dieses alte Sprichwort habe ich gedacht, als ich am Sonnabend nach dem HSV-Spiel in Magdeburg im Auto saß und Radio hörte. Da habe ich mich dann gefragt, ob ich mich eben gerade verhört habe, denn in meinen Ohren saß immer noch ein flotter Spruch des Moderators fest: „Der HSV versucht es ja schon seit Wochen krampfhaft, in der Zweiten Liga zu bleiben, an diesem Wochenende ist ihm dazu wieder einmal ein großer Schritt gelungen, denn bei den abstiegsgefährdeten Magdeburgern gab es eine 2:3-Niederlage.“ Oha! Das saß! Man könnte es ja auch tatsächlich so nennen, aber muss man das? Das ist wohl wie bei einem Hand- oder Foul-Elfmeter: Man kann, aber man muss nicht. Wer Spaß daran hat, der soll dann damit ruhig ein wenig Spaß haben, aber hilfreich ist es auf jeden Fall nicht. Nicht für den HSV. Der hat nämlich zur Zeit andere Sorgen. Ich schreibe diese Zeilen am späten Sonnabend, die Uhr quält sich – ähnlich wie der HSV in Magdeburg – auf Mitternacht zu. Gute Nacht, Rothosen! Quo vadis, HSV?



Was mir vom Abpfiff im Osten der Republik bis jetzt alles am Handy um die Ohren flog, ist unfassbar. Es wird gewütet, gemeckert, gelacht, verhöhnt. Einer bot mir seine Dauerkarte für den Rest der Saison an (im Volkspark-Norden), weil er keine Lust mehr hat, sich diese „Gurkentruppe“ anzusehen. Oder ansehen zu müssen. Egal. Was mich allerdings viel mehr bewegt als das, was ich nachher bekam, war das, was ich vorher glaubte gehört zu haben. Bei Sky. Da sagte HSV-Trainer Tim Walter meiner Ansicht nach – so in etwa: „Wir geben unser Bestes und versuchen, aufzusteigen, ich habe vollstes Vertrauen in meine Mannschaft.“ Wenn ich mich tatsächlich nicht verhört habe, dann saß Tim Walter gerade gedanklich in einem Achter und ruderte ein wenig zurück. An eines erinnere ich mich nämlich noch ganz genau: Nach der 0:2-Niederlage vor 14 Tagen in Kaiserslautern (dort gewann der FC Hansa an diesem Sonnabend 1:0!) lachten die FCK-Fans den HSV aus und verhöhnten alle und jeden Hamburger, weil diese weiterhin, also auch in der Saison 2023/24, Zweitliga-Fußball sehen und spielen werden. Tim Walter damals: „Lass sie so denken, lass sie schreien, lass sie es so lauthals sagen - die wissen ja gar nicht, dass wir nächste Saison in Liga eins spielen werden. . .“

Jo.


Wer den Schaden hat. . .


2:3 in Magdeburg, 0:2 in Lautern, 2:2 in Düsseldorf, 2:4 beim KSC, 1:1 in Darmstadt, 3:3 in Heidenheim – so sehen die letzten sechs Auswärtsspiele des HSV aus. Spielt so eine Mannschaft, die in die Erste Liga aufsteigen will? Frage ich nur mal so in die Runde. Darauf kann ein jeder sich selbst die Antwort geben. Gegen Aufsteiger Magdeburg gab es nun sogar die zweite 2:3-Niederlage dieser Spielzeit, denn auch im Volkspark stand damals genau dieses Resultat beim Abpfiff fest. 41 Gegentore hat sich der HSV in dieser Saison bereits eingefangen, so viel wie der derzeitige Tabellen-13., der 1. FC Nürnberg. Nachbar FC St. Pauli hat sich im Moment 35 Treffer eingefangen. Ist auch nicht wenig, aber woher kommen die Braunen (die im Winter noch abstiegsgefährdet waren), und wohin will der HSV nun schon seit Jahren?



Es war ein Experte aus Buxtehude, der mir auch heute - mehr oder weniger aufgebracht - schrieb: „Der HSV hat es in dieser Saison ohne Abwehr auf sehr viel gebracht. Mit einer solchen Defensive kannst du normalerweise nie um den Erstliga-Aufstieg mitspielen.“ Wenn dem so ist, dann hat der Trainer ja doch irgendwie ein kleines Wunder vollbracht. . .“

So, damit hat es sich auch schon mit Anrufen und Zuschriften, mehr werde ich zu diesem Thema nicht mehr zum Besten geben. Versprochen. Fest steht ja auch: Tim Walter hat sich stets vor sein Team gestellt. Stets, ständig, immer. Okay, irgendwann, und zwar vor einigen Wochen, hat er davon gesprochen, dass es in der Abwehr zu oft noch dilettantische Fehler geben würde. Aber trotzdem hätten alle Spieler sein Vertrauen. Allen voran Jonas David, der zum Sensations-Torschützen im St.-Pauli-Spiel wurde.

Es spricht in meinen Augen allerdings viel dafür, dass Walter deswegen zu seinen Spielern hielt, weil er keine anderen hat. Hätte er sie nach den vielen Fehlern, die sie begangen haben, öffentlich angeprangert, dann hätte er wahrscheinlich gegen Ende dieser Saison mit Teilen der Regionalliga-Mannschaft spielen müssen. Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als allen immer wieder das Vertrauen auszusprechen. Ob das nach dem Magdeburg-Match immer noch so sein wird? Da habe ich doch leise Zweifel. Es gibt nur noch vier Spiele. Am Freitag kommt Paderborn in den Volkspark, ein Spiel, das der HSV auf keinen Fall verlieren darf. Aber Paderborn wäre im Falle eines Auswärtssieges bis auf drei Zählern am HSV dran. Die Rothosen müssen noch nach Regensburg, hat Fürth in Hamburg vor der Brust – und gastiert zuletzt in Sandhausen. Machbar? Natürlich. Aber die Konkurrenz vor allem aus Heidenheim müsste Federn lassen, und ob sie das noch tut? Auch da habe ich Zweifel; diesmal recht große.



Erneut drei Gegentore. Schon gegen St. Pauli hätten es mehr als drei sein können, vielleicht müssen. Und in Magdeburg? Das 1:0 der Ostdeutschen erzielte Moritz Kwarteng, ein ehemaliger HSV-Spieler. Er durfte den Ball aus zwölf Metern einschießen, ohne auch nur ein bisschen gestört zu werden. Zentral vor dem HSV-Gehäuse. Wo war Sebastian Schonlau, wo war Jonas David? Und wieso ließ sich Moritz Heyer von Vorlagengeber Leon Bell Bell so vorführen? Das alles war auch wieder dilettantisch und amateurhaft. Wie auch beim 2:1. Jason konnte mit Ball bis zur Torauslinie laufen, weil der Ball zuvor am Strafraumeck wie beim Billard hin und her sprang. Und in der Mitte schoss Baris Atik dann ähnlich wie zuvor Kwarteng souverän ein (74.). Der Anfang vom Ende. Dass mit dem eingewechselten Tatsuya Ito ein zweiter Ex-HSVer vor seinem großartigen Schlenzer zum 3:1 (ins lange Eck - unhaltbar) mit der Hamburger Abwehr ein wenig Katz und Maus spielte, war zu befürchten. Der Japaner ist darauf spezialisiert, Slalomstangen zu umkurven. . . Das hätte beim HSV eigentlich jeder wissen und sich dementsprechend darauf einstellen müssen. So aber wurde wieder einmal Aufbauhilfe Ost geleistet.



Doch wer weiß, wie es gekommen wäre, hätte Bakery Jatta seine fast hundertprozentige Chance genutzt, die er auf dem linken Fuß hatte. Er schoss aber freistehend Torwart Dominik Reimann an, es gab nur einen Eckball für den HSV. Eine ganz entscheidende Szene. Wie die in der 52. Minute, als Schiedsrichter Harm Osmers erst auf Elfmeter entschied, der Kölner Keller aber in Person von Robert Hartmann feststellte, dass der Magdeburger Daniel Elfadli im Zweikampf mit Robert Glatzel doch ein wenig den Ball gespielt hatte. Pech? Pech! Ich will nicht verschweigen, wie ich dieses Szene gesehen habe: Der Zweikampf passierte, ich sagte sofort „Elfmeter“. Dann sah ich drei-, viermal die Zeitlupe und sagte immer noch „Elfmeter“. Bei der erneuten Wiederholung sah ich dann, dass Elfadli doch ein wenig den Ball berührte. Aber hatte er vorher nicht Glatzel berührt und dadurch zu Fall gebracht?

Ich bin es leid, über den Kölner Keller zu schreiben und zu schimpfen. Trotz allem muss ich sagen, dass der VAR eigentlich dazu eingeführt wurde, um klare Fehlentscheidungen zu vermeiden. War das eine klare Fehlentscheidung? Das soll jeder für sich entscheiden, für mich war es das nicht. Mit einem Elfmeter hätten sicherlich nicht nur Hamburger leben können. Aber es lief wieder einmal ganz anders.



„Wir haben heute auf die Fresse bekommen“, sagte HSV-Kapitän Sebastian Schonlau später und wirkte dabei immer noch geschockt. „Wir sind leider immer passiver geworden, wir waren insgesamt nicht konsequent genug. Vor allem in der zweiten Halbzeit war es zu wenig", befand Robert Glatzel im HSV-TV. Auch Torwart Daniel Heuer Fernandes fand kritische Worte: „Ich erwarte mehr von uns. Die Gegentore fangen wir zu leicht, in der Offensive hat das Tempo gefehlt. Diese Niederlage ist bitter." So empfanden es auch die vielen mitgereisten HSV-Fans, die ihre Mannschaft während der 90 Minuten fast ständig lautstark und vorbildlich unterstützten. Und „wer den Schaden hat. . .“ Die Magdeburger Zuschauer sangen schon unmittelbar nach dem 3:1-Tor: „Zweite Liga, Hamburg ist dabei. . .“ Ob Trainer Walter darauf und dieses Mal noch eine Antwort hat?



Vor nicht mal allzu langer Zeit, das gebe ich zu, habe ich hundertprozentig gedacht, dass der HSV diesmal, im Jahr 2023, stramm in Liga eins marschieren würde. Jetzt bin ich leider vom Gegenteil überzeugt. Die Mannschaft wurde von vielen, auch von mir, überschätzt. Selbst wenn es Platz drei, der ja bekanntlich für die Relegation langen würde, geben sollte – gegen jeden Erstliga-Klub hat der HSV mit dieser Abwehr und mit diesem Spiel-System keine Chance. Davon bin ich leider überzeugt. Es fehlt defensiv an allen Ecken und Enden – und nicht nur dort. Mit Wehmut denke ich an Huub Stevens zurück: „Die Null muss stehen.“ Und vorne muss dann eine Chance mal genutzt werden. . .



Ich war bei dem Kick in Magdeburg schon einigermaßen überrascht, dass sich beide Kontrahenten auf Augenhöhe begegneten. Zwar hatte der HSV mehr Ballbesitz, aber eine Überlegenheit resultierte daraus nicht. Hüben wie drüben gab es – vor allem in der Anfangsphase – viele simple Fehlpässe. Warum mich das überrascht hat? Natürlich kämpft Magdeburg ums Überleben in Liga zwei (und dürfte es fast geschafft haben), darum war damit zu rechnen, dass es einen harten Kampf geben würde – aber der HSV kämpft immerhin um Liga eins, und darum hätte ein jeder Fan eigentlich damit rechnen können, dass das auch im Spiel zu sehen sein würde. Zumal die Qualität, bei allem fußballerischen Wohlwollen für den FCM, doch eindeutig auf Seiten des HSV hätte liegen müssen. Qualität gepaart mit dem nötigen Kampfgeist, das hätte für einen Hamburger Sieg reichen müssen – oder sollen. Denkt man. Eigentlich. Aber das klappt eben nicht immer. Und beim HSV hat es vor allem auswärts zuletzt eben nicht geklappt.


Gegen Paderborn am Freitag wird Bakery Jatta fehlen, er sah seine fünfte Gelbe Karte. Die hatte zuletzt auch Jonas Meffert gegen St. Pauli gesehen, er fehlte deshalb an diesem Sonnabend.




Lag es daran, dass seine ordnende Hand fehlte? Ich würde das nicht ausschließen, denn: Diesmal hatte ich den Eindruck, dass Sebastian Schonlau kein souveräner Abwehrchef war. Ich habe von ihm keine verbalen Hilfen, auch keine Motivation für seine Nebenleute gesehen, ich habe kein Mitreißen erkennen können, es gab auch keine überdurchschnittliche Zweikampfführung von ihm, ich denke, dass er diesmal mehr mit sich als mit allen anderen Dingen zu tun hatte. Natürlich, auch ein Kapitän hat einmal das Recht, nicht so solide wie sonst zu spielen, aber diesmal wäre seine gute Form dringend vonnöten gewesen.Was aber nicht heißen soll, dass es allein an Schonlau lag. Die gesamte Abwehr von rechts nach links mit Moritz Heyer, Schonlau, Jonas David und Miro Muheim genügte den Ansprüchen eines Aufstiegsaspiranten nicht. Gesamtnote fünf!


Ganz kurz noch zu einer Art des Fußballs, an die ich mich immer noch nicht gewöhnen kann. Es geht mir um den Abstoß, den ganz normalen Abstoß in einem Spiel. Der Torwart spielt, das ist neu im Fußball, am Fünfmeterraum einen Mitspieler an, der sucht einen Mitspieler in der Nähe – wird aber schon während des Suchens vom Gegner attackiert. Dann ist Staunen angesagt, denn: Was entstehen daraus, aus einer solchen „Daddelei“, für kuriose Situationen, auch für viele große Chancen für die Angreifer! Es ist ja schön und gut, dass die Trainer verlangen, dass so der Spielaufbau über die Bühne gehen soll. Ich bin aber der Meinung, dass vielen, vielen Spielern dazu die technischen Fähigkeiten fehlen. Die haben schon Schwierigkeiten bei der Ballannahme, die werden nervös, wenn ihnen der Gegner blitzschnell auf den Füßen steht – und schon beginnt das Chaos. Nur bei den wenigsten Mannschaften der Ersten Bundesliga (!) klappt so ein Aufbauspiel. Es klappt deswegen, weil bei den Spielern der Ball auch mal richtig gut am Fuße klebt. Aber in Liga zwei, da fängt es spätestens mit an, sind dann Artisten unterwegs, die können das eben nicht – sollen es aber. Da klebt dann kein Ball am Fuß, er hüpft unruhig und unkontrolliert hin und her. Meistens jedenfalls. Früher war es doch so: Da wurde der Ball (durch den Torwart) weit nach vorne befördert, und entweder kam er beim eigenen Mann an, oder es wurde sich der „zweite Ball“ geholt. Aber gut, diese neue Art des Abstoßes ist natürlich ganz allein Sache des Bundestrainers. . . Hätte „Uns Uwe“ damals wohl gesagt. Es ist wohl so, dass die Trainer es so wollen (es sieht ja auch nach gepflegtem, kultivierten Fußball aus!), ganz egal, ob dabei viel Hektik und Chaos entsteht.

Ich werde es nicht ändern können, mit diesem Geschreibsel erst recht nicht.


Kurz noch zum FC St. Pauli, 2:1-Sieger gegen Arminia Bielefeld. Und gut erholt von der Derby-Niederlage. Gegen den Abstiegskandidaten aus Ost-Westfalen spielten die Braunen 80 Minuten lang überlegen, führten 2:0 und hatten bis zu dieser Schlussphase eine Menge an hochkarätigen Tormöglichkeiten ausgelassen. Dann durfte aber noch bis zum Schlusspfiff, der nach sechsminütiger Nachspielzeit erfolgte, kräftig gezittert werden. Es war Torwart Nikola Vasilj, der den Dreier in diesen Minuten rettete. Ein Unentschieden aber, das sehr wohl in der Luft lag, wäre unverdient gewesen, weil St. Pauli lange an jene Siegesserie angeknüpft hatte, die es vor den beiden letzten Niederlagen (an den beiden zurückliegenden Spieltagen) gegeben hatte.


Ich habe an diesem Wochenende nur phasenweise auf das Spiel am Millerntor geblickt, denn beim HSV, der zeitgleich spielte, ging es in meinen Augen um etwas mehr. Was ich aber von den Kiez-Kickern sah, das überzeugte mich, sie waren tatsächlich klar überlegen. Und das ohne den gelb-gesperrten Eric Smith, der in der Abwehr-Mitte aber von Jakov Medic, der sonst rechts in der Dreierkette zum Einsatz kommt, ganz hervorragend vertreten wurde. Gefreut habe ich mich darüber, dass der Buxtehuder Jung, Elias Saad, zu seinem ersten Start-Elf-Einsatz in der Zweitliga-Mannschaft kam. Wie schon bei seinem 30-minütigen Einsatz um Derby gegen den HSV hatte Saad auch diesmal einige vielversprechende Szenen. Elias Saad wurde, wie die Kollegen Oladapo Afolayan, Lukas Daschner, Manolis Saliakas und Adam Dzwigala später ausgewechselt. Wenn ich das noch bemerken darf: Immer dann, wenn ich bei St. Pauli zusah, hatte Leart Paqarada, der zuletzt von mir einige kritische Worte verkraften musste, sehr, sehr gute Szenen. Seine vielleicht wichtigste war dabei der 40-Meter-Pass in der 53. Minute, den sich Marcel Hartel erlaufen und zum 1:0 nutzen konnte.


Zu den letzten beiden Toren der Partie hatte dann der eingewechselte Armine Jomaine Consbruch viel beigetragen. Erst legte er nach einem St.-Pauli-Eckball die Kugel dem aufgerückten Jakov Medic vor, der im zweiten Versuch den Ball zu Lukas Daschner köpfte, der dann zum 2:0 traf. Danach erzielte Consbruch das Anschlusstor (73.) - und scheiterte in der Nachspielzeit mit einem Kopfball am großartig reagierenden Nikola Vasilj.

Der FC St. Pauli muss am kommenden Wochenende am Sonnabend um 20.30 Uhr bei Tabellenführer und Aufstiegsaspiranten Nummer eins, Darmstadt 98, antreten.


Über den Kölner Keller möchte ich mich eigentlich, ich habe es bereits geschrieben, nicht mehr auslassen, aber an der vielleicht entscheidende Szene dieser Meisterschaft, die die Schale wahrscheinlich doch wieder nach München gehen lässt, komme ich gar nicht vorbei:


Am Freitag lief die Partie VfL Bochum gegen Borussia Dortmund. Beim Stande von 1:1 gab es in der 65. Minute ein hartes Einsteigen von VfL-Abwehrmann Bruno Soares gegen BVB-Angreifer Karim Adeyemi. Elfmeter? Die Leute auf der BVB-Bank sprangen entsetzt hoch, als Schiedsrichter Sascha Stegemann weiterlaufen ließ. Und da auch vom VAR aus Köln nichts kam, blieb diese Szene ungesühnt. Die halbe Fußball-Nation, die möchte, dass Dortmund neuer Meister wird, ist nach wie vor schockiert. Immerhin: Sascha Stegemann stellte sich einen Tag später und erklärte seinen „Nicht-Pfiff“: „Für mich ist das eine sehr dynamische Situation. Ich sehe, wie ein Bochumer Verteidiger zum Ball gehen möchte und versucht, ihn zu spielen. Und meiner Wahrnehmung nach war es so, dass Adeyemi den Fuß rausstellt und versucht, diesen Kontakt zu initiieren, diesen Elfmeter ein Stück weit zu suchen und dann über den Bochumer Verteidiger fällt. Wenn ich am Ende des Tages die TV-Bilder sehe, muss ich feststellen, dass wir in diesem Moment die falsche Entscheidung getroffen haben. Der Kontakt wird entgegen meiner Wahrnehmung nicht von Adeyemi hergestellt wird, sondern vom Bochumer Verteidiger. Und deswegen hätte es hier nach Sicht der Fernsehbilder einen Strafstoß für Dortmund geben müssen."


Auf die Frage, wieso es kein Signal aus dem Kölner Keller gab, sagte Stegemann: „Der Videoassistent hat den Vorgang natürlich gecheckt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich nicht um eine klare und offensichtliche Fehlentscheidung handelt, weshalb er den Check beendet hat. Daraufhin habe ich das Spiel fortgeführt. Grundsätzlich ist es mein Anspruch, die Szene auf dem Spielfeld selbst zu lösen. Jetzt gab es Gründe, warum wir auf dem Feld nicht zur richtigen Entscheidung gekommen sind und dass es sehr sinnvoll gewesen wäre, wenn ich es nochmal am Spielfeldrand auf dem Monitor hätte überprüfen können. Die Situation ist dann am Ende des Tages in Köln leider auch anders bewertet worden. Ja, als Schiedsrichter hätte man sich in diesem Moment einen Eingriff gewünscht, aber in Köln sitzen Menschen, die genauso Fehler machen wie wir auf dem Spielfeld auch. Wir haben an mehreren Stellen nicht die richtige Entscheidung getroffen."


Auf die Frage, warum er nicht von allein an den Spielfeldrand gegangen ist, um sich diese Szene noch einmal anzusehen, gab Stegemann zu: „Dafür brauche ich berechtigte Zweifel an meiner Entscheidung. Die hatte ich in dieser Situation aber nicht. Ich hatte eine klare Wahrnehmung zu dem Vorgang. Mir fehlten keine Indizien für die Bewertung und die Proteste auf dem Spielfeld waren verhältnismäßig moderat, sodass ich weder Zweifel auf dem Spielfeld, noch eine Empfehlung aus Köln hatte. Deswegen habe ich auch davon abgesehen, mir die Szene nochmal anzuschauen."


Nochmals muss ich lobend erwähnen, dass sich Sascha Stegemann, der Drohungen erhielt und erhält, so mutig und offen gestellt hat. Alle Achtung, mein Kompliment, Herr Schiedsrichter! Und dann muss ich zweierlei Notizen zu diesem Vorgang los werden:

Jeder Fußballer weiß, dass auch ein Elfmeter für Dortmund erst einmal von einem Dortmunder verwandelt werden muss.

Zweitens: Karim Adeyemi ist durchaus als ein kleiner Fallkünstler in der Bundesliga bekannt, das wissen viele Fans, das wissen auch die Schiedsrichter, die mit der Bundesliga zu tun haben. . .

Sascha Stegemann zu diesem Aspekt: „Natürlich bereitet man sich als Schiedsrichter sehr professionell auf die Spiele vor und kennt natürlich auch die Partien der Mannschaften aus der Vorwoche. Trotzdem wird kein Spieler vorverurteilt für die Dinge, die in den letzten Wochen passiert sind, sondern jede Situation wird im Spiel neu bewertet. Wenn der Spieler Adeyemi klar gefoult wird, dann steht ihm ein Strafstoß zu, auch wenn er in den beiden Wochen zuvor versucht hat, einen Elfmeter zu ziehen."


Kommentar von Dortmunds Altmeister Mats Hummels, der nicht explodierte, sondern sachlich blieb: „Wieso es reihenweise fragwürdige Elfmeter diese Saison gibt und der VAR bei einer der deutlichsten Situationen der letzten Jahre nicht eingreift, ist mir ein Rätsel." Immer hin gab auch Hummels zu: „Ein Elfmeter ist natürlich nicht gleichbedeutend mit einem Tor, er muss auch erst einmal verwandelt werden.“ Ganz genau. Deswegen sollten alle mal, auch wenn es vielen schwerfällt, den Ball ganz flach halten. Auch wenn ich die aufgebrachten Dortmunder natürlich verstehen kann – ich habe auch Mitleid mit ihnen. Allerdings: Ein kommender Deutscher Fußball-Meister darf in Bochum auch ohne Elfmeter ruhig mal gewinnen. Der VfL Wolfsburg zum Beispiel hatte dort vor einer Wochen knapp mit 5:1 gewonnen. Das nur mal zur Probe.

In diesem Sinne, ich wünsche Euch und Euren Lieben einen guten Start in die neue kurze Woche, alles Gute, viel Erfolg – und bleibt gesund.



Dieter Matz




Dieter Matz - Der Blog

Folge 14/2023

Online seit 24.04.2023 


Allen HSV-Fans gratuliere ich zum Derby-Sieg, sie dürfen feiern und für ein paar Tage auch auf Wolke sieben schweben. Den St.-Pauli-Anhängern möchte ich an dieser Stelle aber auch mein Mitleid aussprechen, denn ihre Mannschaft war im Volkspark gewiss nicht das schlechtere Team, hätte einen Punkt auf jeden Fall verdient gehabt, hat sich aber auch mit einigen Fehlern zu viel um den Lohn gebracht. Um es einmal neutral zu formulieren: Dieses Derby hat viele, wenn nicht sogar alle Zuschauer, elektrisiert und total begeistert. Von der ersten Minute an ging es rauf und runter, es gab keine langen Abtast- oder Erholungsphasen, es ging über 90 Minuten lang zur Sache – dieses Spiel war spannend und mitreißend, es hat unheimlich viel Spaß gebracht. An die beiden Vereine vielen Dank dafür. Und wenn man den Nachrichten, die es nach dieser Partie gab, Glauben schenken darf, dann ist es ja auch zwischen den beiden Fangruppierungen einigermaßen fair und friedlich abgelaufen, auch dazu herzlichen Glückwunsch. Die HSV-Fans hatten dazu eine farbenprächtige Choreographie im Norden präsentiert, das sah überragend aus, war ganz sicher nicht ganz billig – war aber super anzusehen. Ein Traum! Note eins!



Für mich war an diesem Spiel nur eines störend: Pyro-Attacken vor und auch permanent während des Spiels. Und ich dachte an das vorangegangene HSV-Spiel zurück, als ebenfalls im Norden viele Plakate hochgehalten wurden, auf denen zu lesen stand: „Fußball muss bezahlbar sein!“ Oder: „Ticketpreise senken!“ Und dann wurde mir auch bewusst, dass dieses Derby dem HSV – und auch dem FC St. Pauli – sicherlich wieder mindestens eine fünfstellige Euro-Summe kosten wird. Wenn damit auszukommen ist; es könnte auch leicht sechsstellig werden. Aber der HSV hat angekündigt, die Eintrittspreise künftig zu senken, damit die Fans noch mehr Pyro kaufen können, und weil der Klub ja ohnehin im Geld schwimmt und die Pyro-Strafen ja schon immer aus der Portokasse bezahlen konnte.

Ein Scherz.

Was mich aber ernsthaft interessieren würde sind diese zwei Fragen: Ob an den Auf- und Eingängen, in denen es früher mal, das erinnere ich noch, Kontrollen mit körperlichem Abtasten gab, irgendwann und gelegentlich doch noch Pyro, vielleicht auch nur eine Fackel oder eine kleine Rakete, gefunden wird? Und was dann mit den ertappten Zuschauern passiert – ob sie spontan eine von Jonas Boldt unterschriebene Urkunde des HSV erhalten, oder ob sie vom jeweiligen Spiel dann doch eher kurzfristig ausgeschlossen werden?



Wenn ich an die Kommentare der Offiziellen nach dem Spiel denke, läuft das wahrscheinlich doch mehr auf eine Urkunde hinaus. HSV-Trainer Tim Walter verteilte viel Lob: „Ich bin sehr, sehr stolz auf meine Mannschaft – und vor allem auch auf die Zuschauer.“ Natürlich. Das konnte er sicher sagen. Und in den nächsten Tagen wird es vielleicht auch noch die unglaublich schöne Pyro-Show erwähnen – wie toll die war. Und auch wie teuer sie noch wird. Auch HSV-Vorstand Jonas Boldt lobte „das großartige Spiel mit einem tollen Stadion“. Selbstverständlich. War ja auch gut. Wenn auch einigen Minuten später angepfiffen wurde (zweite Halbzeit), weil vom Rasen nichts zu sehen war. Und wenn auch einige Menschen (darunter sah ich auch hustende Spieler) mit Tränen in den Augen zu kämpfen hatten – was nicht an den sportlichen Darbietungen lag. Diesmal nicht.



Der HSV begann dieses Derby weder zögerlich noch zurückhaltend, sondern griff vorne schon an. Das war neu für mich. Total neu. Forechecking, dieses Fremdwort hatte Tim Walter doch nie – oder höchst selten – in seinem „systematischen“ Wortschatz anzubieten. Es überraschte jedenfalls mich – und eventuell auch den FC St. Pauli. Den allerdings nur für zehn Minuten. Dann kam die Mannschaft von Jung-Trainer Fabian Hürzeler, sie spielte richtig guten Fußball von hinten heraus, war wieder ballsicher und suchte in jeder Lage den Weg nach vorn. Oladapo Afoyalan stand dabei zweimal im Blickpunkt: Erst schoss er um Zentimeter am HSV-Tor vorbei, dann schoss er den Ball sogar in das Tor (17.), doch Schiedsrichter Sven Jablonski, der diesem Spiel bis auf eine kleine Ausnahme – auf die ich später noch komme – ein guter Leiter war, pfiff ein Foul des St.-Pauli-Stürmers gegen Miro Muheim ab. Der HSV-Verteidiger wurde vom Angreifer mit der Hand am Kopf getroffen, ich hatte das, offen gestanden, zuerst nicht gesehen. In der Zeitlupe jedoch war das zu erkennen, und ich glaube, ohne parteiisch zu sein, dass der Unparteiische richtig entschieden hat. Wenn man sich das umgekehrt vorstellen würde, dass Robert Glatzel bei einem erfolgreichen Torschuss die Hand in das Gesicht von Eric Smith geführt hätte. . . Es ist ganz sicher hart für St. Pauli gewesen, dass dieses Tor keine Anerkennung fand, aber es war wohl okay so.



Was mich allerdings immer noch am St.-Paui-Spiel stört, ist diese ewige Torwart-Daddelei. Wenn Nikola Vasilj mit seinen (oft gedeckten oder attackierten) Abwehrspielern so seine Spielchen treibt, dann kann ich dieses unnötige Risiko nicht nachvollziehen. Fast wäre es auch diesmal schiefgegangen, aber mit Glück bestrafte der HSV dieses unsägliche Gekicke nicht. Wenn Ihr in der Woche zuvor die Europa-League-Partie zwischen Sevilla und Manchester United gesehen habt, dann wisst Ihr auch, dass erstens Sevilla 3:0 gewonnen hat (eine dicke Überraschung!), und dass zweitens zwei Tore durch diese Torwart-Daddelei gefallen sind. Mich würde einmal interessieren, was sich die Keeper dabei denken, wenn sie zentral einen Mitspieler cirka zehn Meter vor dem Strafraum anspielen – und dieser Teamkollege dann auch noch einen gegnerischen Stürmer auf den Fersen hat. Unfassbar finde ich das. Meistens erhält der Keeper, wenn es noch gerade gut geht, den Ball prompt zurück, manchmal geht dieses Harakiri-Spiel aber auch total schief – und mitunter landet die Kugel dann auch sogar im Tor. Was mich außerdem und zudem interessieren würde: Früher, über viele, viele Jahrzehnte, stießen die Torhüter die Bälle nach vorne ab – und der Fußball funktionierte doch auch! Oder habt Ihr damals schon diese Torwart-Daddelei vermisst? Gewiss nicht. Und ich würde mich mal über eine Untersuchung (von „amtlicher“ Seite) freuen, in der eventuell zu Tage tritt, dass nach einem Abstoß des Keepers viel schneller der so genannte „zweite Ball“ zu einem erfolgreichen Angriff führt – führen kann. So wie es früher einmal war. Es würde den Fans eine gewaltige Zitterei ersparen – es sei denn, die heutige Trainer-Generation möchte dieses „Hoch-Risiko-Spiel“ forcieren, damit noch viel mehr Spannung aufkommt. Für mich, gebe ich gerne zu, ist das nur Schwachsinns-Fußball.



Zurück zum Derby. Zum tollen Derby. Die nicht unverdiente 1:0-Führung St. Paulis in der 36. Minute. Jonas David klärte vor dem Strafraum nicht energisch und weit genug, Afolayan bemächtigte sich des Kunstleders, bediente Lukas Daschner, der sah rechts draußen den vorpreschenden Manolis Saliakas, der ungehindert in den Strafraum des HSV marschieren und aus spitzem Winkel einschießen konnte. HSV-Kapitän Sebastian Schonlau kam mit seiner Grätsche zu spät, und Keeper Daniel Heuer Fernandes sah nicht besonders gut dabei aus – der Ball fand in der Torwart-Ecke eine Lücke, die es so eigentlich nicht geben sollte. 15 Minuten vor diesem Tor hätte es schon 0:1 stehen können – ich sage müssen! Leart Paqarada hatten den Ball von links zur Mitte gespielt, alle verpassten diese Eingabe, und am langen Eck stoppte Lukas Daschner den Ball (unglücklich), statt ihn auf und in das HSV-Tor zu schießen. Das sah schon überaus kurios aus – für Daschner offenbar kein größeres (seelisches) Kopf-Problem, ich hätte mich zu meiner aktiven Zeit eher richtig tief und fest eingebuddelt. Aber jeder ist eben anders. . .



Kurz vor dem Halbzeitpfiff köpfte Jackson Irvine noch einen Ball über das HSV-Gehäuse, dann kam der große Auftritt von Jonas David! Herzlichen Glückwunsch. Diese Nummer wird den jungen Mann eventuell ja ein wenig pushen und voran bringen. Der aufgerückte Abwehrmann des HSV drosch den Ball aus 21 Metern hoch oben in den rechten Torwinkel – ein Traumtor, ein „Tor des Monats“. David wurde enthusiastisch von den Kollegen gefeiert, und am Spielfeldrand feierte Tim Walter so ab, als hätte er dieses Ding höchst persönlich in den Giebel geschweißt. Um es vorweg zu nehmen: Jonas David bot diesmal eine ansprechende Leistung, soll, so die Statistiker, der beste Abwehrmann des HSV gewesen sein – ich gönne es ihm. Ich möchte aber, das muss ich noch einmal ausdrücklich schreiben, darauf hinweisen, dass ich nicht der einzige David-Kritiker in dieser Stadt oder im Norden bin – da gab und gibt es tausende! Auch der Sky-Reporter führte das während des Spiels unüberhörbar an. Und er meinte mit den Kritikern gewiss nicht nur mich! Und um das auch zu sagen: Ich stehe zu meiner kritischen Einstellung zu David. Er soll, so sagen es mir HSV-Mitarbeiter, ein ganz feiner und netter Mensch sein, das glaube ich gerne, hat aber auch nichts mit seinen sportlichen Leistungen zu tun. Diesmal hatte er einen Sahne-Tag, ich würde es ihm, dem HSV und dem gesamten Anhang wünschen, dass es ab jetzt nur noch solche Sahne-Tage für ihn geben möge. Dem David-Tor, das möchte ich nicht verschweigen, ging eine Ball-Staffette über Jean-Luc Dompe, Moritz Heyer und Miro Muheim voraus. Drei Abwehrspieler also an diesem Tor beteiligt.



„Da hatte Jonas einen goldenen Moment - dieser Treffer war für uns der Dosenöffner.“ Das sagte Tim Walter nach dem Spiel. Womit er ganz sicher richtig lag. Im zweiten Durchgang nämlich zog der HSV auf 3:1 davon. Die Entscheidung? Keineswegs. Der HSV wusste aber durch den Dauer-Pyro-Einsatz im Norden, wo das St.-Pauli-Tor steht – und traf schnell hintereinander zweimal. Erst in der 48. Minute: Sebastian Schonlau schlug den Ball aus halblinker Position in Richtung langen Pfosten des St.-Pauli-Tores, in der Strafraummitte verpasste Robert Glatzel und sein Gegenspieler Eric Smith den Ball, nach diesen beiden Spielern hätte Karol Mets dahinter stehend an die Kugel kommen können, ließ sie aber passieren – und am Fünfmeterraum schien Leart Paqarada ein wenig eingeschlafen zu sein – Bakery Jatta vollendete jedenfalls aus zwei Metern. Wobei ihn der St.-Pauli-Spieler bei dem Abwehrversuch noch gehörigen den Knöchel polierte. Jatta schied kurz darauf aus und muss jetzt erst einmal wieder fit werden.




Das 3:1 fiel vier Minuten später: Rechtsflanke von Ludevit Reis, der lange ungehindert mit dem Ball laufen durfte, in der Mitte köpfte „Bobby“ Gatzel (seine beste und einzige Szene!) aus fünf Metern, doch Nikola Vasilj hielt glänzend. Per Abstauber aber traf Moritz Heyer, das Spiel schien für den HSV gelaufen. Schien. Kurzfristig sah es auch so aus, als würden die St. Paulianer die Köpfe hängen lassen, aber das täuschte. Von der Bank kam Hilfe: Hürzeler wechselte Elias Saad und Connor Metcalfe für Afeez Aremu und Oladapo Afolayan ein. Das brachte Schwung. Besonders der ehemalige Norderstedter Saad, der beim Buxtehuder SV einst mit dem Fußball begonnen hatte, konnte sich hervortun – er riss seine Mitspieler mit. Und schoss nach einem Paqarada-Pass eher ein wenig unorthodox (weil irgendwie zu lasch – fehlte die Kraft nach einem langen Spurt?) das 2:3. Und wenn danach Eric Smith seine Hundertprozentige genutzt hätte, als er volley aus elf Metern am HSV-Tor vorbeischoss (75.), wer weiß, wie dieses Spiel noch gelaufen wäre. Statt dessen hieß es drei Minuten später 4:2 für den HSV, weil Jakov Medic die Kugel nach einer Eingabe von Sonny Kittel ins eigene Tor befördert hatte. Pech. Pech? Ich weiß es nicht. Diese Situation hätte ganz sicher besser geklärt werden können – und auch müssen.



Fast im Gegenzug köpfte Jackson Irvine den Ball nach einem Eckstoß von Marcel Hartel zum 3:4 ein – es blieb aufregend und spannend. Zum Ausgleich aber kam es nicht mehr. Es gab weder hier noch da eine gute oder große Gelegenheit. Vielleicht hätte es die vor dem HSV-Tor gegeben, als Jonas David gleich zweimal mit der Hand am Ball (unbeabsichtigt) gewesen sein könnte, aber weder Jablonski noch der VAR hatten Einwände gegen diese Aktion. Ich will es nicht fordern, dass da ein Hand-Freistoß ein MUSS gewesen wäre, das soll der Schiedsrichter entscheiden – und er hat ja so entschieden, nicht zu pfeifen. Ein MUSS allerdings wäre die nachgespielte Nachspielzeit gewesen. Fünf oder sechs Minuten ließ der Schiedsrichter in der 90. Minute an Nachspielzeit anzeigen, ich weiß es nicht mehr so genau, ob fünf oder sechs. In der Nachspielzeit ließ sich Daniel Heuer Fernandes dreimal bei Abstößen sehr viel Zeit, einmal wurde er dabei von Jablonski ermahnt! Und dann lag Miro Muheim noch mit einem Krampf auf dem Rasen und musste gepflegt werden. Sven Jablonski ließ trotz dieses Zeitschindens nur 30 Sekunden nachspielen – so etwas haben wir bei der letzten Weltmeisterschaft in Katar auch schon ganz anders erlebt. Aber gut, es ging in diesem Fall ja auch nur um die Liga zwei in Deutschland. . .



Unmittelbar nach dem Schlusspfiff gab es noch einmal (kurz?) Ärger zwischen beiden Klubs – eher Ärger zwischen den Bänken. Fabian Hürzeler war total aufgebracht, musste von Jonas Boldt eingefangen werden – was erst etwas später gelang. Es ging wohl um die überzogene Freude der HSV-Verantwortlichen. Tim Walter war auf den Rasen gegangen, hatte seine Flasche (die obligatorische Flasche, der er während der 90 Minuten stets den Hals umdreht) hoch in die Luft gepfeffert, sich dann zu den St.-Pauli-Kollegen gedreht und voller Freude seine ganze Erleichterung herausgeschrien. Er riss dabei seinen Mund so weit auf, dass daraus auch die künftige vierte Röhre des Elbtunnels gebaut werden könnte. Und wenn Blicke töten könnten. . . Nein, das mit den Augen hielt sich in Grenzen, aber die Freude, eher die Schadenfreude - das war schon grenzwertig. Auch von Walters Assistenten soll in der gleichen Art gefeiert worden sein, was ich allerdings nicht gesehen habe.



Hürzeler sagte später zu diesem Vorfall: „Einige sollten sich danach fragen, wie sie mit dem Sieg umgehen. Ich wurde so erzogen, dass ich in Sieg und Niederlage Größe zeige!“ Und: „Die Personen, die gemeint sind, wissen das schon!“ Das glaube ich auch. Aber Tim Walter hat ja auch Größe gezeigt – mit dem Aufreißen seines Mundes. Nein, ein kleiner Scherz am Rande. Fabian Hürzeler sagte zur Niederlage noch: „Ich bin stolz auf meine Mannschaft, wie sie agiert hat, wie sie mutig gespielt hat, wie sie dieses Spiel dominiert hat. Trotz allem werde ich diese Niederlage nicht schönreden, wir werden die Fehler aufarbeiten und dann geht es weiter.“ So soll es sein.



Übrigens: 1700 Polizisten waren rund um dieses Spiel im Einsatz. Sage ich nur mal so, weil es ja überall auch um Kosten für ein solches Fußballspiel geht. Und in der Nacht vor dem Derby hatten St.-Pauli-Anhänger den riesigen Uwe-Seeler-Bronze-Fuß verunziert. Mit Aufklebern auf den Fußnägeln von Uwe. Dazu gab es ein „Bekennerschreiben“: „Euch Uwe war heute Nacht noch mal in der Pediküre. . .“ Wie schön. Ich glaube, dass Uwe darüber gelächelt hätte. Ich war zufällig am Spieltag um genau 11.20 Uhr am Uwe-Fuß, da war von dieser „Pediküre“ schon nichts mehr zu sehen. Und St.-Paulis Präsident Oke Göttlich sagte später dazu: „Es ist niemand körperlich verletzt worden – das war ein Streich.“ Kann man so sehen.



Noch einen kurzen Rückblick auf das Spiel. Wer sich erinnert: In der Schlussphase gab es Ärger zwischen St.-Pauli-Spielern und Balljungs, oder auch nur einem Balljungen, weil die Bälle nicht schnell genug auf das Spielfeld geworfen wurden. Das beobachte ich schon seit Jahren, nicht nur beim HSV, sondern überall. Wenn es vom Ergebnis her „eng“ wird, werden die Jungs wohl von den Platzvereinen angehalten, die Bälle zögerlich oder gar nicht mehr zurückzuwerfen. Da wird dem Fußball-Nachwuchs schon recht früh beigebracht, was Fairplay ist. Schade. Aber auch das gehört wohl in den heutigen modernen Fußball – es sei denn, die Verbände kümmern sich auch darum mal, bevor sie den Fußball mit der unsäglich Hand-Elfmeter-Regelung ganz kaputt gemacht haben. Es machte auf mich jedenfalls keinen guten Eindruck, dass der HSV-Balljunge zweimal grinsend und lachend wieder zur Tagesordnung zurückging. Es gibt aber bestimmt auch unter Euch genügend, die eine solche Aktion als Petitesse abtun – dann soll es eben so sein.



Ich bin jetzt leider schon wieder viel zu lang geworden. Deswegen nur kurz zu der Spieler-Kritik. Beim HSV war Jonas David der beste Mann; Sebastian Schonlau spielte eigentlich solide, war aber nicht immer sicher in allen seinen Aktionen. Dem 3:4 ging ein verunglückter Kopfball von ihm voraus, der zur Ecke führte, die köpfte Jackson Irvine dann ein, weil Schonlau das Duell verlor. Einige recht gute Szenen hatte Sonny Kittel, obwohl ich mit seiner Körpersprache noch immer nicht so richtig etwas anfangen kann, er zeigt mir zu wenig Emotionen, läuft oft mit herunterhängendem Kopf über den Rasen. Ludevit Reis hatte ebenfalls gute Szenen, er hatte sich vom Kaiserslautern-Schock erholt. Von Robert Glatzel war bis zum 3:1 (und seinem abgewehrten Kopfball) nicht viel zu sehen, aber er lief enorm viel, kämpfte und setzte sich ganz vorne immer wieder als erster Abwehrmann recht achtbar in Szene.



Bei St. Pauli gefiel mir der quirlige Oladapo Afolayan am besten, schade dass er bereits in der 60. Minute ausgewechselt werden musste – er stand wohl kurz vor Gelb-Rot. Deswegen war es richtig, ihn vor einem Platzverweis zu bewahren. Ganz vorne ging Lukas Daschner leider ein wenig (oder auch ein wenig mehr) unter, er hätte früher als in der 85. Minute ausgewechselt werden können (müssen). Ungewöhnliche Fehler gab es in der Dreier-Kette mit Karol Mets, Eric Smith und Jakov Medic zu sehen – ich glaube ja, wenn sie alle ihren besten Tag gehabt hätten, dann hätte der HSV keine vier Tore schießen können. Der Mann aber, der für mich an diesem Abend ganz, ganz stark abgefallen ist beim FC St. Pauli, der hieß Leart Paqarada. Unglaublich viele Fehler – ich hatte den Eindruck, dass er den 57 000 im Stadion und den Millionen am Fernsehschirm mal zeigen wollte, wie lässig St. Pauli im Volkspark aufspielen kann. Schade, schade. Sein Kapitäns-Kollege Jackson Irvine fand erst spät ins Spiel, war dann aber maßgeblich daran beteiligt, dass es noch zu einem ansehnlichen Schlussspurt kam. Von den eingewechselten Spielern überzeugte Elias Saad am meisten, er hatte eine großartige halbe Stunde, schoss nicht nur das 2:3, sondern war mutig und riskierte mit seinen Dribblings, die ihm fast alle super gelangen, sehr viel. Das wächst einer heran!

Übrigens sind nach diesem Spiel Jonas Meffert und Eric Smith gesperrt, sie sahen jeweils die fünfte Gelbe Karte.



Zwei Nachrichten vom HSV am Rande: Winter-Zugang Andras Nemeth hat sich wohl im Training den Knöchel gebrochen und dürfte damit bis zum Saisonende ausfallen. Dann gab es noch diese Nachricht, dass Nachwuchs-Boss Horst Hrubesch den U16-Trainer Bastian Reinhardt entlassen hat.



Ganz zum Schluss nur ganz, ganz kurz der Blick nach „oben“. Der FC Bayern, der auch im Norden viele, viele Fans hat, droht nun auch in der Meisterschaft zu scheitern. Der Rekordmeister lieferte bei der 1:3-Pleite in Mainz eine unglaublich schlechte zweite Halbzeit ab. Ich glaube nicht, dass der neue Coach Thomas Tuchel jetzt noch „schockverliebt“ in „seine“ Mannschaft ist, ich rechne damit dass beim FC Bayern nun die vielleicht dickste Luft seit Jahren beherrschend sein wird. Und irgendwie rechne ich auch damit, dass sowohl Oliver Kahn als auch Hasan Salihamidzic demnächst ihre Hüte werden nehmen müssen. Mal sehen, was da noch so kommt.


Eine schöne, erfolgreiche und gesunde Woche wünscht Euch


Dieter Matz




Dieter Matz - Der Blog

Folge 13/2023

Online seit 17.04.2023 


Niederlagen für die Hamburger Zweitliga-Klubs – das ist ungewöhnlich und gab es in diesem Jahr noch nie. Aber so bleibt es auf jeden Fall eine hoch spannende Angelegenheit. Auch wenn dem Derby am kommenden Freitag nun ein wenig die Spannung genommen wurde, denn St. Pauli könnte durch einen eventuellen Auswärtssieg nicht mehr am HSV vorbeiziehen. Grundsätzlich aber bleibt abzuwarten, wie und ob sich die Hamburger im Schlussspurt zusammenreißen können – ob es ihnen überhaupt gelingt, wieder souveräner aufzutreten. Der HSV offenbarte bei der 0:2-Niederlage in Kaiserslautern erneut einige (gravierende) Schwächen, und der FC St. Pauli bewies bei der irgendwie doch unverdienten 1:2-Heimniederlage gegen Eintracht Braunschweig, dass die Mannschaft doch „geerdet“ ist – und noch verlieren kann. Schade trotz allem, dass diese sensationelle Siegesserie nun gerissen ist, wirklich jammerschade. Irgendwann aber musste es wohl geschehen. Immerhin haben jetzt sowohl die Braunen als auch die Roten die gleiche Anzahl an Niederlagen vorzuweisen: sieben. In erster Linie wird nun der Tabellendritte HSV im Blickpunkt der Fans stehen, es wird sich zeigen müssen, ob sich das Team noch einmal wird steigern können. So wie beim blutleeren Auftritt in der Pfalz kann und darf es nicht weitergehen, in dieser trostlosen Verfassung wird es erneut keinen Aufstieg geben. Auch wenn sich Trainer Tim Walter weiterhin total optimistisch gibt. Aber was soll er sonst auch tun? Wer weiß schon, was er in aller Stille und Heimlichkeit tatsächlich von den letzten Auftritten seines Teams denkt?


Bei Sky gab der HSV-Trainer nach der Niederlage offiziell Auskunft, obwohl ich von dem, was er so erzählt, höchstens ein Achtel glaube: „Gut, viel zugelassen haben wir nicht. Wir haben aber den Gegner dazu eingeladen, Tore zu schießen. Heute waren wir vorne nicht zwingend genug, haben im letzten Moment zu unsauber gespielt. Ich glaube, dass uns die letzte Konsequenz gerade in der Offensive einfach gefehlt hat, und in der Defensive waren es zwei individuelle Fehler, aber das passiert. Wir gewinnen aber zusammen und wir verlieren zusammen.“ Auf den Einwand des Reporters, dass die Fans nun denken könnten, dass der HSV jetzt wieder alles verspielt, sagte Tim Walter: „Das ist mir egal, wir sind von uns überzeugt, genau so treten wir auf. Dass wir Spiele verlieren, das gibt es im Leben, aber wir sind von uns überzeugt, und so machen wir auch genau weiter, dazu gibt es keine Alternativen.“ Und: „Diese Niederlage ist kein Rückschlag, wir stehen wieder auf und dann geht es weiter.“

Was Walter verschwieg: Nicht nur seine Mannschaft hatte in diesem Spiel nicht viel zugelassen, sondern auch Lautern ließ nicht viel zu. Einen einzigen Schuss des HSV auf das FCK-Tor gab es in Halbzeit eins zu bestaunen: Robert Glatzel bediente Anssi Suhonen, der schoss aus halblinker Position aus 14 Metern aber weit überweg. Das war in der 44. Minute. Bis dahin hatte der HSV „Fünf gegen Zwei“ gespielt - also Fußball ohne Tore. . .



Tore satt hatte es eine Woche vorher bekanntlich gegeben. 6:1 gegen Hannover 96. Ein Sieg, der eventuell überbewertet wurde? Von der Mannschaft? Von den Fans? Gut möglich. Ich erinnere mich, dass ich vor einer Woche geschrieben habe, dass der Sky-Reporter zur Pause des Hannover-Spiels und zum 2:0-Halbzeitstand gesagt hatte: „Zwei HSV-Tore aus dem Nichts.“ Weil, daran erinnere ich mich auf jeden Fall genau, der HSV eigentlich wie in Kaiserslautern in Halbzeit eins gespielt hatte – und dann eben „zwei Tore aus dem Nichts“ erzielt hatte. Auf jeden Fall hatten die meisten HSV-Fans stramm die Hosenträger gespannt. Motto: „Erste Bundesliga, wir kommen!“ Dabei wurde aber ganz sicherlich übersehen, dass die letzten vier, fünf Spiele schon nicht so liefen, wie es sich für einen Aufsteiger gehören würde. Und den Hardcore-Fans der Rothosen würde ich einmal diese eine Frage stellen: „Wann hat der HSV tatsächlich im Stile eines Aufstiegs-Aspiranten gespielt?“ Natürlich, selbst Darmstadt 98 und Heidenheim spielen in dieser Zweiten Liga nicht immer wieder wie ein Aufsteiger, aber ich denke mal, dass fast jeder HSV-Anhänger nur ein müdes Lächeln an den Tag legen würde, wenn er seinen Verein tatsächlich mit Darmstadt und Heidenheim vergleichen müsste.



Es gibt in diesem großen und kultigen HSV gewiss einige kluge Köpfe, die über den Tellerrand hinaus blicken. Die nicht alles durch die rosa-rote Brille sehen, sondern erkennen, dass der Fußball, der vom HSV gespielt wird, nicht unbedingt dafür steht, dass am Ende keine Frage danach aufkommt, wer aus Liga zwei aufsteigt? Natürlich der HSV, das ist ein Muss! Wirklich? Nein, ist es nämlich nicht. Ich kenne viele Ehemalige, die zwar nicht müde lächeln, die aber müde dreinblicken, wenn sie über die Spielweise des HSV Auskunft geben müssen. Torwart Daniel Heuer Fernandes zu Moritz Heyer (der in Lautern erkrankt fehlte), Heyer zu Sebastian Schonlau, Schonlau zu Miro Muheim, Muheim zu Heuer Fernandes, Heuer Fernandes zu Heyer, Heyer wieder zurück zu Heuer Fernandes, Heuer Fernades zu Jonas David, der wieder zurück zu Heuer Fernandes, Heuer Fernandes zu Muheim, der zu Schonlau, der zurück zu Heuer Fernandes und so weiter, und so weiter und so weiter. Wer dabei nicht ins Gähnen kommt, der sieht sich bestimmt auch unheimlich gerne Hallen-Halma im Fernsehen an. Aber wo ich oben noch Moritz Heyer erwähnt habe: Auch Jonas Meffert hat in Lautern nicht gespielt. Er hat Knie.



Zurück zur Niederlage. In Kaiserslautern kamen zu diesem hübsch anzusehenden Quer- und Zurück-Geschiebe noch etliche technische Pannen (bei der Ballannahme) hinzu, Abspielfehler, Langsamkeit sowie das fehlende Übernehmen von Verantwortung: „Nimm du den Ball, Kamerad, ich holen derweil Verpflegung. . .“ Dass Ludovit Reis an beiden Toren die Hauptschuld trug – was soll es? Bevor Reis den Ball (vor dem 0:1 von Terrence Boyd) an der Außenlinie retten wollte, was gründlich misslang, ging ja ein schlimmer Fehlpass von Heuer Fernandes (mit dem schwächeren linken Fuß) voraus. Jean Zimmer lief mit Ball auf und davon, er lief und lief auf der rechten Seite bis in den Strafraum, passte dann flach zur Mitte. Dass David dann gegen Boyd, der mit der Hacke einschoss, den Kürzeren zog – was soll es? Schuld hatte Reis. Auf jeden Fall. Dass hinten keine Absicherung mehr war – was soll es? Mit Absicherung wäre ja auch sowieso zu einfach.

Ohnehin war es ja auch die offensichtlich vom Trainer angeordnete ewige Daddelei in der Spielfeldmitte, die Heuer Fernandes dazu zwang, den Ball etwas unkontrollierter als sonst von ihm üblich nach links draußen zu dreschen.

Und das zweite Tor? Dem 2:0 der Lauterer ging ein Einwurf an der Mittellinie voraus. Muheim warf die Kugel, es sah so aus, als müsse das so sein, genau einem Pfälzer zu, und dieser schickte dann, und zwar völlig unbedrängt von einem Hamburger, den eingewechselten Philipp Hercher steil, doch Reis war eher am Ball. Leider misslang dem Niederländer jedoch der von ihm angedachte Rückpass auf Heuer Fernandes. Hercher „übernahm“ die Kugel und lief und lief und lief, und als er an der HSV-Strafraumgrenze nicht mehr konnte (auch weil von Reis gestört), da übernahm der ebenfalls eingewechselte Aaron Okopu und schoss kurzerhand zum 2:0 ein. Ausgerechnet Okopu. Der hatte diese Saison noch beim HSV begonnen, flog aber am 18. August 2022, am fünften Spieltag der Liga zwei, im Heimspiel gegen Darmstadt 98 (1:2) wegen Nachtretens vom Platz. Fünf Wochen Sperre. Der HSV verkaufte ihn in die Pfalz. Und nun dieses entscheidende Tor. Seine erste Ballberührung nach der Einwechselung. Mehr geht als eingewechselter Spieler nicht.



Es ist aber irgendwie schon ein Treppenwitz: Da hat der HSV den Rückpass seit Monaten wie kein anderes deutsches Profi-Team perfektioniert, ist absolut die beste deutsche Mannschaft in Sachen Rückwärts-Fußball (gut passen würde dazu noch Leipzigs David Rückwärts-Raum), und dann klappt vor dem 0:2 ausgerechnet ein eigentlich ganz normaler Rückpass nicht. Da wird Tim Walter wohl weiter eisern üben lassen müssen. . . Apropos Tim Walter. Immer dann, wenn er am Spielfeldrand vom Fernsehen ins Bild gebracht wurde, dachte ich daran, ob es wohl bald einen zweiten Teil des Kino-Films „Der Räuber Hotzenplotz“ geben wird. Da könnte der HSV-Coach doch in ganz schwierigen Szenen als Double. . . Wenn er denn Zeit hätte, ist schon klar. Wenn er es dann aber doch machen würde, weil er ja schon den berühmten Hotzenplotz-Bart hat, dann müsste er wohl auf seine geliebte Flasche, der er während des Spiels 90 Minuten lang den Hals umdreht, verzichten. Okay, aber das wäre dann wohl doch das etwas kleinere Übel in diesem Job. Apropos Job: Gefühlt denke ich, dass Tim Walter beim HSV seine bislang längste Trainer-Position im bezahlten deutschen Fußball durchlebt. Das ist ja auch schon ein Hausnummer. Gratulation!




Dass der HSV in Kaiserslautern verlor, hatte für mich aber auch einen weiteren Aspekt: Die überaus eklige Spielweise der Pfälzer. War schon im Hinspiel so. Fast in jedem Zweikampf ging es rustikal, gelegentlich auch brutal zu Werke. Da wurde getreten, und wenn der Ball weg war, dann auch noch der Ellenbogen in Richtung Hamburg ausgefahren, oder eiskalt die Schulter in den Gegenspieler geschoben – das war oft hart an der Grenze – oder auch schon drüber. Aber der lasche Schiedsrichter Frank Willenborg, der sich offenbar bei jedem eigenen Pfiff total erschreckt, übersah die meisten unfairen Attacken und ließ weiterspielen. Besser ist. Man stelle sich vor, dass ganze ausverkaufte Stadion wäre am Toben und am Pfeifen und am Keifen und am Wüten, nur weil der Schiedsrichter dauernd so kleine Dinge, die nicht ganz „regelkondom“ sind, abpfeift! Das geht doch nicht. Außerdem ist Zeit Geld, da darf ein Spiel auch nicht zu oft unterbrochen werden. Wenn ich allein an Terrence Boyd denke. Der ist nach seiner Einwechslung in der 66. Minute so über den Rasen galoppiert, als hätte er vorher einen Liter Kälberblut konsumiert. Wie ein Angestochener ist der auf alles und jeden losgegangen – ohne dass der feine Herr Willenborg ihn auch nur einmal um eine etwas andere und nettere Gangart gebeten hätte.


Mir hat, das ist Tatsache, ein Schiedsrichter (!) unmittelbar nach dem Spiel auf das Handy geschrieben und geschickt: „. . .aber die HSVer sind mit der knüppelharten Gangart der Lauterer nicht klargekommen. Das sind ja Tiere dort. Da hat der SR für mich die ewigen Nickeligkeiten der Lauterer nie unterbunden. Mich kotzt es an, wenn man sich als SR von Tretern und Kulisse so dermaßen beeindrucken lässt.“


Ich fürchte, da hat der Mann, mein Freund, nicht so ganz Unrecht. Aber erstens hätte der HSV wissen müssen, was für eine Spielart die Lauterer bevorzugen, zweitens hätten sie sich dann nicht den Schneid abkaufen lassen dürfen, sondern hätten dagegenhalten müssen – oder sollen. Aber, auch das lief in meinen Augen so, wenn der HSV dann doch einmal zurückkeilte, dann lag da schnell der „sterbende Schwan aus der Pfalz“ am Boden, so dass unmittelbar ein Hubschrauber-Einsatz drohte. . . Ja, der heutige Fußball hat schon so gewisse Tücken, es ist nicht nur Kinder-Geburtstag oder purer Spaß. Das würden wahrscheinlich auch das Lauterer Männchen am Rande, Trainer Dirk Schuster, und sein Assi Sascha Franz, der in solchen Sachen laufend aktiv und unterwegs war, voller Überzeugung verkünden. Muss also gut sein, was dort passiert.


Um schnell noch einmal auf den „richtigen“ Fußball zurückzukommen: In der 57. Minute köpfte Robert Glatzel, beim Stande von 0:0, aus einem „Spielerauflauf“ heraus aus fünf Metern (bedrängt von Schonlau!) daneben (nach Muheim-Ecke). Und in der 64. Minute schoss Muheim aus 14 Metern mit seinem schwächeren rechten Fuß den Ball auf die Querlatte des Lauterer Tores – und danach nahm dann das Unheil seinen Lauf. 0:1, 0:2. Übrigens war Kaiserslautern seit acht Pflichtspielen sieglos. Die Aufbauhilfe Nord war wieder einmal zur Stelle. Was ich jedoch nicht verschweigen möchte ist, dass der HSV in der 80. Minute einen Freistoß zugesprochen erhielt – 28 Meter vor dem FCK-Tor. Der (viel zu spät) eingewechselte Jean-Luc Dompe legte sich das Kunstleder zurecht – und schoss den Ball in etwa 28 Meter über das Tor. Und lachte. Und lachte immer noch. Okay, war ja auch zum Lachen, aber er hätte es zuvor durchaus auf dem Fuß gehabt, das zu ändern. Und dann hätten nämlich alle Hamburger etwas zu lachen gehabt.



Witzig war und ist, das nur als kleine Randnotiz, dass Tim Walter auf die Frage, ob er sich St. Pauli gegen Braunschweig ansehen würde (weil St. Pauli demnächst ja der Gegner des HSV werden könnte), vollmundig geantwortet hat: „Nein, ich gucke nie Zweite Liga.“ Darüber regen sich tatsächlich und im Ernst immer noch einige Leute auf. Müssten sie aber nicht. Vor Wochen war es doch schon ähnlich: Da spielte sonntags der HSV, am Sonnabend schon Hansa Rostock gegen Darmstadt (oder auch Heidenheim?), der nächste Gegner des HSV. Da wurde Tim Walter gefragt, ob er sich diese Partie angesehen hätte? Damals lautete die Antwort des HSV-Trainers auch schon klar und deutlich: „Nein.“ Er hätte noch anfügen können: „Warum sollte ich?“

Das wäre auch meine Gegenfrage gewesen: „Ja, warum sollte er?“ Kriegt er doch nicht bezahlt – oder etwa doch? Wahrscheinlicher ist aber ja die These, dass Tim Walter ohnehin schon alles über den kommenden Gegner seiner Mannschaft weiß, da kann es für ihn nichts mehr „Neues aus Waldhagen“ geben. Nein, nein, liebe StarClubberer, solche Art der Auskünfte des Trainers laufen absolut auf „Vollverarschung“ hinaus. Verzeihung für diese rüde Wortwahl! Wer so alt ist wie ich, der wird sich vielleicht noch an seine Jugend erinnern können. Da lief im NDR-Radio (oder war es noch der NWDR?) jeden Sonntag zur Mittagsstunde für die Jugend die Sendung: „Onkel Eduard erzählt.“ Ich frage mich dauernd, ob dieser Eduard nicht Walter mit Nachnamen hieß, der Opa von unserem „Timmy“. Dann nämlich fiele der Apfel tatsächlich nicht so weit von dem berühmten und benachbarten Birnbaum.

Aber das wirklich nur am Rande.



Einzelkritik? Erspare ich mir. Ich fand nur, dass der kleine Anssi Suhonen, der ganz gewiss auch einige Fehler gemacht hat, eine Belebung für das oftmals träge HSV-Spiel war. Und ich fand zudem, dass der gute Bakery Jatta, seit er andauernd in der Defensiv aushilft und dabei glänzt und viel und oft gelobt wird, kaum noch etwas für die Offensive tut. Wenn er einmal weiter vorne war, dann spielte er meistens auf der Strafraumhöhe des Gegners 15 bis 20 Meter zurück. Aber, jetzt kommt es dann doch noch: In der 95. Minute schoss „Jattata“ dann doch einmal aus 14 Metern mit links auf das Lauterer Tor, doch Keeper Andreas Luthe lag am Boden und hielt. Das hätte durchaus das 1:2 sein können, jahaha!



Wieder zurück zur Ernsthaftigkeit: Bemerkenswert dann der Abgang des HSV. Die Spieler ging in die Südkurve (glaube ich, dass es der Süden war), um sich beim HSV-Anhang für die wieder gelungene Unterstützung zu bedanken. Das war von der einen Seite (die der Spieler) sehr gut, und von der anderen Seite (die der Fans) sogar noch etwas besser! Die mitgereisten Hamburger klatschten und jubelten und wehten mit Fähnchen und Fahnen Richtung Rasen herunter, dass es eine Freude war! Das nenne ich wirklich und ernsthaft TRAUMHAFT. So soll Fußball und Fanwesen sein. Dann klappt es auch mit dem Aufstieg. Und an den glaubt nicht nur Trainer Walter (Tatsache!) weiter unbeirrt, sondern auch ich (Tatsache!). Die Konkurrenz schwächelt doch auch gelegentlich – siehe Darmstadts 0:1-Pleite in Düsseldorf.



Schlusswort Robert „Bobby“ Glatzel: „Es war in diesem Spiel von allem etwas zu wenig. Wir haben zu langsam gespielt, waren nicht kompakt genug, haben nicht komplett dagegengehalten." Wenigstens ein Volltreffer des Torjägers! Weiter so!



Alle diejenigen, die nun eventuell auf meinen Abstecher zum FC St. Pauli warten, muss ich ein wenig (oder auch mehr) enttäuschen. Ich habe St. Pauli gegen Braunschweig in der Tat nicht gesehen. Als ich mittags das Haus verließ, sagte ich meiner Frau nur noch kurz: „St. Paulis Serie reißt heute, davon bin ich restlos überzeugt.“ Es lag also an mir. Weil ich geunkt habe. Ich wollte mir aber unbedingt Eintracht Norderstedt gegen St. Pauli II ansehen. Um auch mit Pauli-Trainer Elard Ostermann zu sprechen. Das gelang mir. Ich gratulierte ihm dazu, dass seine Mannschaft wohl vor der Rettung steht, obwohl sie so lange als ein ganz heißer Abstiegskandidat in der Regionalliga Nord gehandelt worden war. Und ich gratulierte ihm auch dazu, dass er diesen heißen Ritt auf der Rasierklinge unbeschadet (soll heißen: ohne Rauswurf) überstanden hat. Das war wirklich vom Verein und vom Trainer großartig. Und da St. Pauli in Norderstedt völlig verdient 3:1 gewann, dürfte der Klassenerhalt nun sicher sein. Herzlichen Glückwunsch! Elard Ostermann, das auch nur am Rande (soll keine Selbstbeweihräucherung werden), habe ich einst zum HSV gesabbelt. Ich habe so lange auf meinen Freund Felix Magath eingeredet, bis er aus Ostermann eine Rothose gemacht hat. Okay, es lief nicht wirklich rund für beide Seiten, und auch für mich nicht, aber Elard wurde immerhin. . . Weil er einst ein richtig guter Kicker war.



Noch einmal ganz kurz auf das „richtige“ St. Pauli zu kommen: Ich finde es traurig, dass diese Serie nun gerissen ist. Von mir aus hätte es ruhig noch lange so weitergehen dürfen, aber Fußball ist eben kein Wunschkonzert. Ich erinnerte mich am späten Sonntag noch an eine Geschichte, die ich nie vergessen werde. Ich weiß allerdings nicht mehr, wann das war. Zu Uli Maslos Zeiten? Nee, jetzt gucke ich mal nach, sorry, Ihr müsst nun ein wenig warten. So, hat länger gedauert, Udo Grabner wartet schon, aber so viel Zeit musste sein. Und es war nicht ganz einfach. Ich denke, dass es ein Spiel der Saison 1986 /87 war. Am 38. und letzten Spieltag traf St. Pauli am Millerntor auf Eintracht Braunschweig, die Löwen stark abstiegsgefährdet. Trainer der Braunen war Willi Reimann, Co-Trainer Helmut Schulte. St. Pauli gewann vor 16 500 Zuschauern durch ein Tor von Michael Dahms 1:0 – und Braunschweig stieg damit ab, ein Punkt hätte zur Rettung gereicht. Danach tobte ein Journalist aus Niedersachsen im Presse-Container hinter der Haupttribühne wie wild, aufgebracht spuckte er, schrie und schimpfte: „Das werdet ihr uns eines Tages büßen, dass ihr uns hier und heute runtergeschickt habt, das werden wir euch nie vergessen – ihr brauchtet die Punkte heute nicht mehr, wir aber umso mehr – das wird von uns irgendwann hundertprozentig gerächt!“ Ein denkwürdiger und unvergessener Auftritt. Natürlich hat das nichts mir diesem 1:2 vom Sonntag zu tun, aber dran denken musste ich trotz allem.


St. Pauli war jetzt, am Sonntag, meistens total überlegen, so wurde mir berichtet, aber im Abschluss zu harmlos. Und Braunschweig verteidigte voller Emotionen und mit viel Leidenschaft, so wie der SC Freiburg beim sensationellen 2:1-Sieg im Pokal bei Bayern München. Schlusswort von St.-Pauli-Kapitän Leart Paqarada: „Das Spiel am Freitag ist aber etwas ganz anderes, ein Derby hat seine eigenen Gesetze – das wird ein heißer Tanz.“ Das glaube ich allerdings auch.


So, ich bin lang geworden, Udo Grabner wartet immer noch, deswegen nur kurz zum „ganz großen Fußball“.


Borussia Dortmund hat in meinen Augen einen neuen Bundesliga-Rekord aufgestellt. Drei Tore von einem Abstiegskandidaten zu fangen, der in Unterzahl spielen muss, das ist legendär. 3:3 beim VfB Stuttgart, und Bayern lässt beim 1:1 gegen Hoffenheim auch zwei Punkte liegen – unfassbar das alles. Auch für BVB-Coach Edin Terzic, der später fassungslos von sich gab: „Es fällt mir schwer, die richtigen Worte zu finden, es ist viel zu viel Wut und Enttäuschung in mir, um eine klare sachliche Antwort zu geben.“ Und: „Es gibt ganz sicher Gründe, warum wir es in den letzten zehn Jahren nicht geschafft haben, ganz oben zu stehen. Trotzdem gibt es noch so viel, um das es sich zu kämpfen lohnt, wir haben ja noch sechs Spiele vor uns. Nur müssten wir endlich damit anfangen, aus diesen Rückschlägen zu lernen."

Aber das wird wohl nichts mehr. Ich glaube ganz einfach, dass bei Dortmund die Qualität nicht reicht.


Bei Hertha reicht es auch nicht. Die Berliner haben Trainer Sandro Schwarz entlassen, was nach der 2:5-Klatsche auf Schalke zu erwarten war, und sie holten nun Pal Dardai zurück. Das wird trotzdem nichts. Die alte Dame wird ins Gras beißen, sage ich einmal brutal offen, die meisten Hertha-Spieler habe keine Erstliga-Reife. Berlin und Schalke gehen, so tippe ich mal, in Liga zwei. Obwohl ich auch immer zugebe und sage, dass ich ein ganz lausiger Tipper bin – also Vorsicht.


Ich wünsche Euch eine angenehme, erfolgreiche und gesunde Woche, alles Gute,


Dieter Matz



Dieter Matz - Der Blog

Folge 12/2023

Online seit 10.04.2023 


St. Pauli – einfach phänomenal! Diese Siegesserie ist der Wahnsinn, die Kiez-Kicker siegen zum zehnten Mal hintereinander, sind in diesem Jahr noch unbesiegt und ohne Punktverlust – das ist unfassbar. Unfassbar schön! 1:0 in Nürnberg, 2:0 gegen Hannover, 1:0 gegen Kaiserslautern, 2:1 in Magdeburg, 1:0 gegen Rostock, 2:1 gegen Paderborn, 2:1 gegen Fürth, 5:0 gegen Sandhausen, 1:0 gegen Regensburg und 1:0 gegen Heidenheim – was für ein Lauf, was für eine Serie, was für eine traumhafte Aufholjagd! Von Tabellenplatz 15 ging es rauf auf Rang vier – und dort soll noch nicht Ende sein. Es ist alles drin, auch in Sachen Aufstieg ist nichts unmöglich. Herzlichen Glückwunsch, FC St. Pauli, das ist wirklich sensationell – und mit dem Dreier in Heidenheim wurde der asbach-uralte Rekord des Karlsruher SC aus der Saison 1986/87 eingestellt. Seinerzeit hatte der KSC auch zehn Zweitliga-Spiel in Folge gewonnen. Am kommenden Sonntag könnte St. Pauli mit einem Heimsieg gegen Eintracht Braunschweig alleiniger Rekordhalter werden. Könnte. Aber Vorsicht, die Niedersachsen kämpfen derzeit ums Überleben und sind gewiss nie zu unterschätzen. Nur wenn die Braunen ähnlich engagiert und hoch konzentriert wie in Heidenheim auftreten, könnte dieser Wahnsinns-Lauf eine Fortsetzung erhalten. Für mich ist das bislang schon ein kleines oder größeres Fußball-Wunder, dann wäre es einfach nur noch wundervoll.

Auf geht es, FC St. Pauli!



Sieben Siege ohne Gegentor, ansonsten nur drei Kirschen in drei Spielen eingefangen – auch das ist sensationell. In Heidenheim klappte das sogar ohne den zuletzt stets überragend spielenden Abwehrchef Eric Smith – man kann das alles gar nicht glauben! Und ich kann mich immer nur wiederholen: Diese Mannschaft ist im Winter auf wundersame Art und Weise gereift. Und natürlich durch den Trainerwechsel. Fabian Hürzeler, der von Timo Schultz übernommen hatte, gab dem Team ein anderes Gesicht, stellte die Abwehr um, formierte einen neuen Angriff – und es läuft wie geschmiert. Auch am späten Sonnabend war das der Fall – beim noch zu Hause unbesiegten Tabellenzweiten Heidenheim. Unglaublich. Die Mannschaft bestimmt in allen Situationen den Rhythmus des Spiels, hält klug den Ball, wenn es erforderlich ist, spielt schnell nach vorne, wenn sich Lücken in der gegnerischen Abwehr auftun – dieses Spiel ist äußerst intelligent und auch deshalb so erfolgreich, weil selbst in gelegentlich prekären und äußerst kniffligen Situationen der Ball technisch hervorragend und sauber gehalten wird.


Diesem eindrucksvollen Spiel zuzuschauen, bringt einfach viel Spaß, unheimlich viel Spaß. Und selbst wenn St. Pauli die Kugel gelegentlich zurückspielen muss, weil es einfach keine andere Lösung gibt, ist das noch gut anzusehen. Es ist ein ganz anderes Quer- und Zurück-Gespiele, als es der große Nachbar aus dem Volkspark in den meisten Auftritten praktiziert. Ja, diese St.-Pauli-Jungs machen fast in jeder Lage immer genau das Richtige! Hervorragend! Einfach überragend! Für mich spielen die Männer vom Millerntor zurzeit den besten Zweitliga-Fußball in Deutschland. Und irgendwie denke ich, dass dieses Team schon jetzt in Liga eins mithalten könnte – was ich derzeit noch von keinem anderen Zweitliga-Team behaupten würde. Nein, dieser FC St. Pauli ist einfach nur total beeindruckend!



Ganze zwei Tormöglichkeiten hatten die Heidenheimer am vergangenen Sonnabend. Zwei! Einmal der Hechtkopfball von Tim Kleindienst in der 28. Minute, der hätte allerdings ins St.-Pauli-Tor gemusst, keine Frage! Und in Halbzeit zwei vergab Jan-Niklas Beste mit seinem schwächeren rechten Fuß aus fünf Metern – das war es aber schon. St. Pauli hatte fast alles souverän im Griff. Was mich an Heidenheim an diesem Abend, an dem für diese Mannschaft nicht viel zusammenlief, störte, das war die gelegentliche Schauspielerei. Nach einem Hamburger Foulspiel, oder auch nur nach einem etwas härteren Körpereinsatz, lagen die Spieler des Gastgebers am Boden und dachten „ans Sterben“. Ich glaubte oft, dass nun ein Hubschrauber-Einsatz fällig sein müsste. . . Gleich zu Beginn war es Lennard Maloney, der mal für längere Zeit ins Fernsehen wollte (ich habe kein Foul an ihm erkennen können), später kassierte Connor Metcalfe Gelb, weil er mit Tim Siersleben zusammengeprallt war. Der Heidenheimer wälzte sich am Boden hin und her, hielt sich das Gesicht – obwohl in der Zeitlupe erkennbar war, dass er dort gar nicht getroffen worden war. Nun gut, es hat sich nicht negativ auf das Spielgeschehen ausgewirkt, denn der sehr gute Schiedsrichter Christian Dingert (Note zwei plus!) ließ sich davon zum Glück für den FC St. Pauli nicht ins Bockshorn jagen! Gut der Mann!


Die beste Tormöglichkeit für St. Pauli in Halbzeit eins hatte Lukas Daschner auf der linken Klebe, als ihm der Ball von FCH-Keeper Kevin Müller genau in die Füße gespielt worden war. Eine Hundertprozentige, aber Daschner vergab zu lasch und zu leichtfertig – weil offenbar zu überrascht. Das hätte aber schon das 1:0 für St. Pauli sein müssen, klarer Fall. Das fiel dann in der 41. Minute. Einwurf Leart Paqarada von der Linksaußen-Position, genau in den Lauf von Marcel Hartel, kurze Ball-An- und -Mitnahme, und dann drosch er die Kugel aus vollem Lauf aus 14 Metern herrlich hoch ins kurze Eck – ein „Tor des Monats“. Obwohl ich immer noch denke, dass ein „Bär“ von Mann, wie es Torwart Müller nun einmal ist, den Ball eigentlich hätte halten können – oder müssen. Er stand doch genau dort, wo dieser Schuss einschlug. Halbzeit.



Der in der 75. Minute für Metcalfe eingewechselte David Otto hatte nur Sekunden später das 2:0 auf dem Fuß, als er bei einem Konter zu schnell (zu frühzeitig) abschloss – und mit links nur die Querlatte des FCH-Gehäuses traf. Hätte Otto noch ein bisschen gewartet, hätte er den links heranstürmenden Oladapo Afolayan bedienen können – das wäre vielleicht die bessere Variante des Abschlusses gewesen. Aber Otto kämpft um seinen Platz, da denkt ein Stürmer dann eventuell doch eher an sich. . . Wobei ich ihm gewiss nichts Böses unterstellen will. In der Nachspielzeit lief Otto dann nochmals allein auf Keeper Kevin Müller zu, schoss aber zu lasch, sodass der Schlussmann halten konnte. Schade, es wäre zu diesem Zeitpunkt die Erlösung gewesen - aber die kam zum Glück darauf dann eine oder zwei Minuten später.



Es wurde mit den vielen mitgereisten Fans ausgiebig gefeiert. In meiner Einzelkritik schneidet die Defensive am besten ab. Wobei ich bei Torwart Nikola Vasilj immer wieder und immer noch zu bemängeln habe, dass er den Ball meistens zu lange hält – und zwar am Fuß und in der Hand. Bislang, das muss ich ihm lassen, geht es aber immer noch gut. . . Adam Dzwigala (Ersatz für Smith), Jakov Medic als herausragender zentraler Abwehrmann, und Linksverteidiger Karol Mets boten eine ausgesprochen sichere und starke Partie. Vor ihnen spulte Manolis Saliakas wieder sehr emsig und zuverlässig (bis auf einen einzigen größeren Aussetzer) sein Pensum herunter, ebenso zuverlässig spielten die beiden Kapitäne Leart Paqarada und Jackson Irvine. Ganz vorne war Oladapo Afolayan der beste Angreifer, auch wenn sein Spiel gelegentlich unorthodox aussieht – er hilft der Mannschaft ungemein. Lukas Daschner fand spät ins Spiel, war aber immer auf Achse und somit ein guter Zerstörer des Heidenheimer Aufbauspiels. Der eingewechselte David Otto wird sich weiter auf der Ersatzbank gedulden müssen – er vergab zwei Hochkaräter und darf weiter üben, üben, üben. Solche „Dinger“ auszulassen, das könnte eventuell einmal entscheidend sein.



Vielleicht dann sogar im Derby? Der HSV ist dank der St.-Pauli-Hilfe auf Rang zwei geklettert – direkter Aufstiegsplatz. Ich glaube ja, dass er dort auch bis zur Sommerpause stehen wird, aber das ist ein anderes Thema. Das Nordderby fing im Norden (des Volksparkstadions) mit Ermahnungen an. Da hingen Plakate wie: „Fußball muss bezahlbar sein“. Und: „Ticketpreise senken“. Mag ja sein, habe ich so bei mir gedacht, habe dann aber Plakate vermisst wie: „Pyro-Technik verteuern“. Oder: „Ihr Ticket-Preise runter, wir Pyro einstellen!“ Wäre nicht ganz so schlecht gewesen, gab es meines Wissens aber nicht. Könnte ja, das ist mein Trost und meine Hoffnung, beim nächsten Mal noch kommen. ..


Um Fußball ging es an diesem Sonnabend natürlich auch noch. Obwohl es in den ersten 30 Minuten um den Fußball schlecht bestellt war. Da gaben sich beide Mannschaften große Mühe, guten Fußball zu bieten, aber es blieb zunächst beim Vorhaben. In der dritten Minute holte sich mein HSV-Spieler der Saison, der Junge mit der 34 auf dem Rücken, gleich mal die Gelbe Karte ab, weil er den Ball gegen Maximilian Beier verstolpert hatte. Da musste ich an Trainer Tim Walter denken, der ja in der Woche vor dem 96-Spiel zugegeben hatte: „In der Abwehr leisten wir uns zu viele dilettantischen Fehler. . .“ Dazu passte auch ein Rückpass von Jonas Meffert auf Torwart Daniel Heuer Fernandes, in den der ehemalige HSV-Spieler Louis Schaub lief, doch der HSV-Keeper konnte diese brenzlige Situation im Kampf Mann gegen Mann meistern (18.).

Nach Jonas David sah auch Laszlo Benes schnell Gelb, bei zwei weiteren Attacken der härteren Art blieb der sicher leitende Schiedsrichter Florian Badstübner nachsichtig, als Noah Katterbach und Ludevit Reis etwas zu ungestüm zu Werke gegangen waren.


Eine kleine Vorentscheidung dann in der 33. Minute. Katterbach grätschte als letzte Abwehr-Instanz gegen den schnellen Hannoveraner Beier (den sollte der HSV für die nächste Saison mal im Auge behalten!), beide kamen zu Fall – es lag ein Foul des Hamburgers in der Luft, aber offensichtlich war alles okay, es gab jedenfalls keinen Pfiff. Und im direkten Gegenzug leistete sich dann der frühere HSV-Spieler Derrick Köhn einen riesigen Fehler, als er den Ball hinten links vertändelte – die Kugel landete bei Reis, der zur Mitte passte, wo Sonny Kittel völlig ungestört zum 1:0 einschießen konnte. Auch dem 2:0 des HSV ging ein Fehler der Niedersachsen voraus: Der frühere Nationaltorwart Ron-Robert Zieler stieß den Ball zu kurz ab, Meffert köpfte den Ball in die Füße von Benes, der wollte eigentlich mit der Hacke weiterleiten, legte sich dann aber den Ball ungewollt vor – und schoss zum 2:0 ein (40.). Der Kommentar des Sky-Reporters war passend: „Zwei HSV-Tore aus dem Nichts.“ Halbzeit.



Gleich nach Wiederbeginn wurde es (kurzzeitig) noch einmal spannend. Der HSV bekam hinten rechts den Ball nicht geklärt, immer wieder prallte der Ball wie im Billard hin und her, dann zog Köhn beherzt aus halblinker Position ab und schoss ein „Tor des Monats“ – ein echter Hammer in den hinteren Winkel. Hannover witterte Morgenluft, aber nur für einige Minuten. Erst drosch Kittel den Ball aus fünf Metern noch an die 96-Querlatte (hätte drin sein müssen!), dann gab es durch einen Einspruch des „Kölner Kellers“ eine Foulelfmeter für den HSV, und den verwandelte Benes sehr sicher zum 3:1. Damit war das Spiel gelaufen. Hannover ergab sich, der HSV traf noch dreimal: Robert Glatzel köpfte eine großartige Katterbach-Flanke zum 4:1 ein, der eingewechselte Ransford-Yeboah Königsdörffer staubte zum 5:1 ab, und nach guter Vorarbeit des ebenfalls eingewechselten Anssi Suhonen sorgte Reis für den 6:1-Endstand. Wobei mir bei diesem Tor die vorbildliche Teamplayer-Einstellung des eingewechselten Andras Nemeth gefiel. Er hätte den Ball aus der Drehung auch auf und in das Tor schießen können, „sperrte“ den Weg aber frei für Reis, der so ungehindert zielen und treffen konnte. Das war wirklich klasse gemacht!



Aus einer im zweiten Durchgang gut spielenden HSV-Mannschaaft möchte ich keinen Spieler herausnehmen. Überragend war keiner – für mich jedenfalls. Katterbach hatte viele gute Szenen (aber auch einige bedenkliche), Sebastian Schonlau war solide wie fast immer, im Mittelfeld zeigte Benes, dass er durchaus wieder an die guten Leistungen aus der Hinserie anknüpfen könnte. Und vorne rechts gefiel mir Bakery Jatta, der zwar auch erst spät ins Spiel fand, aber durch sein immenses Laufspiel überzeugte – er hatte zunächst seine besten Szenen in der Defensive, was ja aber auch wichtig ist. Und Kittel? Er deutete immerhin einige Male an, dass mit ihm noch zu rechnen sein könnte. Was mir zudem gut gefiel: Tim Walter setzte bei den Einwechselungen auch auf zwei Spieler, die sonst und bislang nur im Schatten der anderen Kollegen standen: Valon Zumberi und Elijah Krahn. Das hat der Trainer gut gemacht, obwohl das bei diesem Resultat auch keine ganz so hohe Hürde gewesen ist. Aber immerhin!



Kurzer Blick nach nach „oben“. Am späteren Sonnabend gab es ja noch in Liga eins das „Topspiel“ Hertha BSC gegen RB Leipzig (0:1). Für mich ein ganz entsetzlicher Kick, aber mein Freund Bert Ehm sagte danach zu mir, dass ich zu hart geurteilt hätte – so schlecht war das nicht. Ich aber bin immer noch der Meinung, dass das kein Erstliga-Format hatte. Und immerhin gab RB-Coach Marco Rose dann später auch zu: „Mittwoch, im Pokal gegen Dortmund, das war Rock ‘n‘ Roll, dabei haben wir aber einige Körner gelassen. Hier und heute in Berlin war das sicher keine Glanzleistung von uns.“

Ich denke jetzt schon wieder mit Schrecken an die nächste Champions-League-Saison, wenn die deutschen Klub in Runde zwei wieder zu Fallobst werden. . . Wer soll da denn, außer Bayern München, etwas reißen?



Aber Roses Ehrlichkeit hat mich fasziniert. Und auch die Ehrlichkeit von BVB-Trainer Edin Terzic war super. Der sagte nach dem Pokal-Aus in Leipzig nämlich neben anderen Sachen auch dies: „Wir wurden in den vergangenen Wochen einige Male zu doll hochgejubelt, weil wir gewonnen hatten, aber so gut, wie wir da gemacht wurden, waren und sind wir noch nicht. Aber wir arbeiten daran.“ Das trifft die Sache für Borussia Dortmund dann doch ziemlich genau.



Themenwechsel.

Am 24. Juli 2022, drei Tage nach dem Tod von Uwe Seeler, verlor der HSV im Volkspark mit 0:1 gegen Hansa Rostock. Die HSV-Fans werden sich schmerzlich erinnern. Damals traf ich den früheren HSV-Torwart Martin Pieckenhagen nach dem Spiel an der Hansa-Kabine und sagte ihm: „Herzlichen Glückwunsch, Martin, ihr habt eine großartige Mannschaft beisammen, ihr werdet diesmal nicht in Abstiegsgefahr geraten. . .“ Er hätte losjubeln können, er hätte auf die Tonne hauen können, aber er blieb sachlich und nüchtern: „Abwarten, es ist ja nur ein gewonnenes Spiel, es wird sich erst noch zeigen, wie stark wir wirklich sind.“ Seine Skepsis war wohl völlig berechtigt, denn: Hansa steht jetzt auf einem direkten Abstiegsrang, und an diesem Ostermontag wurde Martin Pieckenhagen deshalb mit sofortiger Wirkung vom FC Hansa entlassen. Eine ganz bittere Pille. Unter der Regie von Sportvorstand „Piecke“ schaffte Rostock 2021 den Zweitligaaufstieg und 2022 den Klassenerhalt. Das alles zählt aber in diesem harten Fußball-Geschäft nichts, das wissen inzwischen fast alle. „Nach der Beurteilung und Analyse dieser Saison wurde deutlich, dass die Entwicklung des sportlichen Bereichs deutlich hinter den Erwartungen geblieben ist“, sagt der Hansa-Aufsichtsratsvorsitzender Rainer Lemmer und fügt hinzu: „Daher sahen wir uns gezwungen, jetzt zu reagieren. Wir planen deshalb die neue Saison unabhängig der Ligazugehörigkeit mit einer personellen Neuausrichtung." Ich glaube ja, dass der FC Hansa wieder nach unten gehen wird. . .



Und noch ein Ex-HSV-Profi im Blickpunkt: Ruud van Nistelrooy. Der sagte kürzlich, dass sein Wechsel einst zum HSV sein größter Fehler in seinem Fußball-Leben gewesen sei. Der 33-jährige Ruud van Nistelrooy war im Januar 2010 von Real Madrid zum HSV gekommen, er erzielte in 36 Bundesliga-Einsätzen zwölf Tore. Im Frühjahr 2011 sollte der (alternde) Weltstar zu Real Madrid zurück, weil es dort personelle Probleme im Sturm gab, aber der HSV ließ ihn nicht ziehen. Ich erinnere mich an damals genau, denn ich erhielt dazu einen Anruf aus den Niederlanden – es war ein Mann aus der Familie des Torjägers. Der sagte mir: „Ruud ist damals nur zum HSV gekommen, weil man ihm genau das versprochen hatte: Wenn Real wieder ruft, wenn er wieder nach Madrid zurück soll, dass er dann gehen könne. Daran aber will sich jetzt keiner mehr beim HSV erinnern – und schriftlich ist so etwas nicht festgehalten worden. Jetzt mach mal was, setze den HSV und seine Führung mal unter Druck.“ Was ich nicht tat. Fortan aber war „Van the Man“ oft verletzt, er war auf jeden Fall nicht mehr zu 100 Prozent für den HSV bei der Sache. Im Sommer wechselte er dann zum FC Malaga, wo er nur noch 28 Spiele bestritt – und für Tore schoss.



Nun sein Rückblick auf Hamburg: „Das war die schlechteste Entscheidung meines Lebens.“ Er fügte aber hinzu: „Was nicht am HSV lag. Eher an meinem persönlichen Umfeld. Meine Kinder aus Madrid wegzunehmen, das war keine gute Sache. Ich würde es nie wieder tun, wenn ich die Chance dazu bekäme.“ Bekommt er aber nicht. Nie wieder. Heute ist Ruud van Nistelrooy Trainer in Eindhoven, punktgleich mit dem Tabellenzweiten Ajax auf Rang drei – hinter Feyenoord Rotterdam. Im Rahmen seiner Trainerausbildung hospitierte er vor Jahren auch noch einmal für ein paar Wochen beim HSV, da trafen wir uns wieder – und ich habe mich spontan bei ihm bedankt. Das war keine Anbiederung, das war mir ein Herzensbedürfnis. Ich dankte ihm deshalb, weil er damals im Zusammenspiel mit uns Journalisten niemals den Weltstar hat nach außen gekehrt hatte. Er war – und ist sicher heute immer noch – ein großartiger Mensch, dem Arroganz oder Hochnäsigkeit völlig fremd sind, der nett und professionell durch den Tag ging und geht. Wenn wir ihn damals für eine sportliche Auskunft brauchten – er war da. Und glaubt mir, da habe ich in jener Zeit auch ganz andere „Kadetten“ erlebt, die glaubten, sie wären ein Star!




Eine schöne und erfolgreiche neue Woche für Euch,

beste Gesundheit und nur Siege für Eure Lieblingsklubs

wünscht

Dieter Matz






Dieter Matz - Der Blog

Folge 11/2023

Online seit 03.04.2023 


Der HSV wieder im Frühjahrs-Schlaf – behaupten viele. 2:2 bei Fortuna Düsseldorf, das scheint einigen Experten zu wenig. Kann ja auch sein, aber ich, sonst immer eher pessimistisch unterwegs, sehe keineswegs schwarz. Beim 0:0 gegen Kiel war der HSV die bessere Mannschaft, hatte auch massig gute und beste Torchancen, scheiterte aber oft am glänzenden Gäste-Torwart Robin Himmelmann. Und jetzt in Düsseldorf war der HSV für mich auch das bessere Team, versäumte es aber, sich zu belohnen. Aber, das gebe ich gerne allen Zweiflern gegenüber zu, der HSV hatte in der Nachspielzeit durchaus auch zweimal Glück, dass die Rheinländer gute und große Tormöglichkeiten ungenutzt ließen. Da hätte es durchaus, wenn es ganz schlecht läuft, noch eine Niederlage geben können – die aber, wie bereits geschrieben, in meinen Augen unverdient gewesen wäre. Wenn es einen Sieger in dieser Partie hätte geben sollen, dann wäre der aus Hamburg gekommen. Was natürlich kein Trost ist, denn aus den letzten drei Spielen nur zwei Punkte – das spricht nicht unbedingt für den HSV. Ich aber denke, dass der Aufstieg nicht nur möglich ist, sondern Gewissheit wird. Vielleicht kehrt ja auch mal das Glück zu den Rothosen zurück - der Anfang ist ja bereits am späten Sonnabend gemacht worden. Weil Heidenheim in Kaiserslautern in der Nachspielzeit (!) noch einen 2:0-Vorsprung verspielte. Da geht sicher noch viel, HSV!


Vor dem Spiel in Düsseldorf hieß es ja in der Statistik, dass der HSV in den Spielen, in denen Kapitän und Abwehrchef Sebastian Schonlau fehlte, schon 16 Gegentreffer kassiert hat. In der Tat eine irgendwie erschütternde Bilanz. Jetzt sind es 18 Gegentore ohne Schonlau. Weil der HSV offenbar keinen adäquaten Ersatz für den Abwehrmann im Kader hat. Und zudem fehlt ja auch Mario Vuskovic, der nun vom DFB wegen Dopings für zwei Jahre gesperrt wurde. Ein herber Verlust. Vor dem Match gegen die Fortuna gab Trainer Tim Walter deshalb auch zu: „Wenn dir die vielleicht beiden besten Innenverteidiger der Zweiten Liga fehlen, wird es für jede Mannschaft schwer. Aber wir dürfen nicht zweifeln, sondern müssen von den Spielern überzeugt sein, die wir haben. Das Wichtigste ist, was in uns steckt, ich bin tiefenentspannt."


Mich hat der HSV-Coach dann zum ersten Mal total überrascht. Mit seiner Aufstellung. Ich hatte ja auf einen Sieg der Fortuna getippt, aber der „sture“ Walter änderte diesmal seine Marschroute. Diesmal ließ er Risiko-Spieler Jonas David auf der Bank, baute dafür in der Innenverteidigung auf Francisco Javier Montero Rubio. Überraschung, Überraschung. Um es vorweg zu nehmen: Montero patzte beim 1:1 der Düsseldorfer (21.), als er unter einem Eckstoß hindurch sprang und Dawid Kownacki einköpfen konnte, ansonsten aber machte der Spanier seine Sache nicht ganz so schlecht wie fast in allen seiner vorherigen Einsätzen für den HSV.


Grundsätzlich aber sehe ich, dass Montero, ausgeliehen von Besiktas Istanbul, keine wirkliche Verstärkung für den HSV ist. In der Winterpause hatte ich hier, an dieser Stelle (StarClub Buxtehude), meiner Hoffnung Ausdruck verliehen, dass der Chef-Scout des HSV, Claus Costa (inzwischen zum Direktor Profi-Fußball befördert), mit seinen in der um die Weihnachtszeit getätigten Verpflichtungen richtig liegen möge. Im Fall Javi Montero liegt er das offensichtlich nicht: Der Abwehrspieler stand gegen die Fortuna Pate beim ersten und zweiten Gegentor, handelte sich dann in der 89. Minute fahrlässig die gelb-rote Karte ein. Die erste Karte gab es, weil er das Spiel verzögerte, die zweite nach einer Grätsche, die nicht sonderlich gut aussah. Er traf den Düsseldorfer zwar nicht, aber wenn er ihn getroffen hätte, dann wäre das auf jeden Fall glatt Rot gewesen. Trainer Tim Walter dazu: „Entscheidend war die erste gelbe Karte. Den Ball aus dem Aus mit auf den Rasen zu nehmen, ihn nicht herzugeben, das war einfach doof. Daraus muss er lernen." Intern soll beim HSV schon beschlossen sein, dass die Leihe im Sommer schon wieder beendet wird, dann soll Montero wieder nach Istanbul zurückkehren. Und das ist sicher das Beste für alle Beteiligten. Übrigens: Ich sehe die Aktion mit dem Ball in der Hand auf den Rasen zu laufen, nicht als völlig falsch an. Im Gegensatz zu Tim Walter. Wenn Montero den Ball nämlich hätte an der Linie liegen lassen, hätte Düsseldorf durch einen schnellen Einwurf sicher bestens und gefährlich kontern können – Ende offen. Aber der Spanier hätte sicher nicht so plump „auf Zeit“ spielen müssen – da muss er dann doch noch erfinderischer werden. . .


Dass Tim Walter diesmal Jean-Luc Dompe (war in der Länderspiel-Pause erkrankt) auf der Bank gelassen hatte, überraschte mich dann auch, zumal dafür der frühere Unterschiedsspieler Sonny Kittel in der Startelf stand. Kittel, um das auch gleich einmal beim Namen zu nennen, war in Halbzeit eins kaum zu sehen, taute aber im zweiten Durchgang auf und bot durchaus eine ansprechende Partie. Er wurde aber in der Schlussphase dennoch ausgewechselt (85.).


Dass die Düsseldorfer nach dem schnellen Führungstor des HSV (Laszlo Benes verwandelte einen Elfmeter per Nachschuss) das Spiel schon nach 28 Minuten gedreht hatten, lag an der unsortierten HSV-Defensive. Fast fünf Minuten hatte die Fortuna nach einem Abstoß den Ball am eigenen Strafraum hin und her gespielt, immer wieder mal zurück zu Torwart Florian Kastenmeier, ehe der kantige Abwehrchef Christoph Klarer die Kugel auf Höhe Strafraum nach vorne prügelte. An der Mittellinie verlängerte der frühere HSV- und St.-Pauli-Spieler Rouwen Hennings per Kopf, bediente so den an diesem Abend groß aufspielenden Felix Klaus, der an Noah Katterbach vorbeizog, allein auf Daniel Heuer Fernandes zulief und eiskalt vollendete. Mit einer gut oder besser gestaffelten Abwehr wäre dieser Treffer ganz sicher vermeidbar gewesen. Zu leichtsinnig, dieses Verhalten.


Diese Führung war schmeichelhaft für die Fortuna, denn beide Mannschaften spielten für mich auf Augenhöhe. Sicher, die Fortuna musste um die vielleicht letzte Chance im Aufstiegsrennen alles geben, und gab auch alles, war kämpferisch stark, enorm einsatzfreudig und gab läuferisch die vielleicht beste Saisonleistung – aber der HSV hielt wirklich sehr gut dagegen! Und zwar von der ersten Minute an. Da wurde kein „Pille-Palle-Fußball“ gespielt, da gab es keine lange Abtastphase, da ging es von allen mächtig zur Sache. Gut anzusehen. Die Fortuna brannte, der HSV aber auch. Sehr zur Freude der mitgereisten 20 000 HSV-Fans, die diese Partie fast zu einem Heimspiel gemacht haben. 90 Minuten Vollgas von den Rängen, egal wie es stand – das war traumhaft und ist lobenswert. So macht Fußball Spaß!


Ein Wort noch zu Schiedsrichter Robert Schröder. Ich empfand es als nicht besonders glücklich, dass er zu diesem Spiel angesetzt worden ist, denn in der Hinserie leitete er schon die Partie HSV – Darmstadt (1:2) und stellte dabei mit Ransford-Yeboah Königsdörffer und Aaron Opoku (jetzt 1. FC Kaiserslautern) zwei Hamburger vom Platz. Diesmal hätte Schröder eigentlich schon in der vierten Minute den Düsseldorfer Jordy de Wijs vom Feld stellen müssen – wegen einer Notbremse nach Foul an Robert Glatzel. Schröder gab dem Düsseldorfer aber nur Gelb! Ob das regelkonform war und ist? Ich habe da doch meine leichten Zweifel – aber die hohen Herren aus der Schiedsrichter-Gilde werden sich ganz sicher noch ihre ganz eigenen (eigenartigen) Gedanken machen.



Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass der HSV bereits in Halbzeit eins, und zwar quasi mit dem Pausenpfiff, die Chance zum 2:2 hatte, aber Robert Glatzel köpfte den Ball nach einer prächtigen Kittel-Flanke weit über das Tor. Zur Pause habe ich einem Freund, der mit „Chancentod“ „Bobby“ haderte, gesagt: „Den Ball hätte Uwe Seeler, wenn er denn noch leben würde, heute noch ins Tor bekommen. . .“ Ja, ganz bitter, aber so ist es nun einmal.


Im zweiten Durchgang gab für mich der HSV lange Zeit (ein wenig) den Ton an, kam aber erst in der 74. Minute zum längst verdienten 2:2. Glatzel hatte am Fortuna-Strafraum Kittel bedient (eine sehr gute Aktion!), und Kittel lief auf das Tor zu – bis der Düsseldorfer Christoph Klarer den Ball von hinten aus sechs Metern ins eigene Tor spitzelte. Wenn es kein Eigentor geworden wäre, dann hätte es Kittel gemacht – aber egal, der Ausgleich war da – und ich habe noch fest mit dem 3:2-Siegtor für den HSV gerechnet. Auch deshalb, weil die Düsseldorfer in Sachen Kraft ein wenig nachließen. Als aber Montero mit der gelb-roten Karte vom Platz musste, war das 2:2 für mich in trockenen Tüchern, da hatte ich mich mit dem Unentschieden arrangiert. Fast jedenfalls, denn plötzlich kamen die Rheinländer noch einmal mit der dritten Luft: Erst zimmerte Tim Oberdorf den Ball aus 27 Metern um wenige Zentimeter am HSV-Tor vorbei, dann lief der eingewechselte Daniel Ginczek allein auf Daniel Heuer Fernandes zu, scheiterte aber am wieder einmal glänzend reagierenden Keeper. Und Ende.


Und wer nun von Euch auf eine kleine Einzelkritik hoffte, den muss ich enttäuschen – denn es gab für mich erstens keinen versagenden HSV-Profi, zweitens auch keinen, der herausragte. Die Mannschaft war eine starke Einheit und hat mir in diesem Punkt wirklich (und nach langer Zeit endlich einmal wieder) wirklich gut gefallen. Genau das macht mir auch Hoffnung, dass es diesmal mit dem Aufstieg noch klappen wird. Fazit von Trainer Walter: „Wir kommen immer zurück, wir geben nie auf. Das ist ein Pluspunkt. Wir sind gegen die Fortuna gut reingekommen ins Spiel, haben dann aber die Gegentore zu billig bekommen. Wir können sicher besser verteidigen, können einige Dinge in der Abwehr besser machen, da stellen wir uns manchmal dilettantisch an. In der zweiten Halbzeit haben wir bis auf einen Fehler nichts mehr zugelassen, aber wir haben uns für dieses sehr gute Spiel leider wieder nicht belohnt. Der Platzverweis für Montero war für mich ein Fehlentscheidung. Aber wir machen unverdrossen weiter.“

Und das ist auch gut so!




Der HSV empfängt am Sonnabend (8. April) Hannover 96, dann ohne Montero und auch ohne Miro Muheim, der in Düsseldorf seine fünfte Gelbe sah und ebenfalls gesperrt ist.



Womit ich beim FC St. Pauli bin. Die Braunen gastieren am kommenden Sonnabend in Heidenheim – Anstoß um 20.30 Uhr. Ein echtes Spitzenspiel. Ich bin gespannt, wie sich die Kiez-Kicker beim Tabellenzweiten verkaufen, ob sie eventuell auch dem HSV helfen können? Und sich selbstredend natürlich auch – der Aufstieg wäre bei einem Auswärtssieg dann absolut noch möglich. Oder sagen wir mal so: er wäre dann nicht unmöglich. Allerdings muss ich ja sagen: Die Luft wird allmählich etwas dünner für St. Pauli. Neun Sieg in Folge, das ist Wahnsinn und auch Rekord, aber gegen den abstiegsgefährdeten Jahn aus Regensburg hing dieser Dreier mehrfach am seidenen Faden. Glücklich schon das 1:0-Siegtor in der 23. Minute, als Prince Owusu die Kugel irgendwie aus dem Gedränge heraus ins eigene Tor stolperte. Glücklich vorher schon eine Aktion von Jackson Irvine, der im eigenen Strafraum den Fuß von Jahn-Angreifer Sarpreet Singh traf, aber Schiedsrichter Bastian Dankert nicht auf Elfmeter entschied, sondern auf Gelb für den Regensburger.

Da die Jungs aus dem Kölner Keller gerade Bierholen (mit Currywurst und Pommes Frites) waren, gab es selbstverständlich auch vom VAR am Rhein keinerlei Einwände – klarer Fall, kein Elfmeter! Super.



Große und gute, oder sogar beste Torchancen habe ich von St. Pauli in diesem Spiel nicht gesehen – Regensburg hatte da doch etwas mehr zu bieten. Blendi Idrizi schoss in der 26. Minute knapp am St.-Pauli-Tor vorbei, dann parierte Nikola Vasilj einen 14-Meter-Schuss von Singh mit einer Weltmeister-Parade, lenkte den Ball noch zur Ecke (54.), und dann hatte Vasilj noch (s)einen gigantischen Auftritt – als er den Ball im Stile eines Spielmachers (mit links und total lässig) mustergültig in den Fuß von Idrizi spielte. Irgendwann geht diese Torwart-Daddelei schief, irgendwann ganz sicher – aber auch diesmal noch nicht: Der Regensburger stand in dieser Szene frei vor Vasilj, schoss – und schoss den Keeper an. Chance, eine hundertprozentige Chance, leichtfertig vergeben.

Dabei wäre ein 1:1 wohl das gerechte Ergebnis dieses Spiels gewesen, denn der Jahn war in der zweiten Halbzeit die bessere Mannschaft. Aber es passte natürlich besser zur Dramaturgie dieser Partie, dass der FC St. Pauli, die Mannschaft des Zweitliga-Jahres 2023, nach 90 Minuten als Sieger feststand – und nun in die Geschichtsbücher der Zweiten Liga kommt: Neun Sieg in Folge – das ist wirklich sensationell. Herzlichen Glückwunsch Fabian Hürzeler und seinen Überfliegern, das ist einfach ein unfassbarer, überragender und einzigartiger Lauf. Weiter so! Dann natürlich auch in Heidenheim. Nichts ist unmöglich!


Und noch einmal auch: Auch beim neuen Tabellenvierten FC St. Pauli habe ich dieses Mal keine Einzelkritik zu bieten, es gab keinen Spieler, der krass abfiel, aber auch keinen, der absolut herausragte. Das wird dann vielleicht am nächsten Wochenende wieder ganz anders sein.



Einen kleinen Abstecher in den ganz großen Fußball gibt es diesmal auch kaum – mal abgesehen von Gregor Kobel, der sich einen unglaublichen Fehltritt leistete. Slapstick pur! Das im Spitzenspiel der Ersten Bundesliga zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund. Man glaubt es kaum, dass so etwas in der höchsten deutschen Fußball-Klasse möglich ist, aber auch da gilt selbstverständlich: Nichts ist unmöglich. Schwach war, so sah ich das jedenfalls, nur später die Erklärung von Kobel: „Ich weiß auch nicht, wie das passieren konnte. . .“ Fußball heißt das Zauberwort.

Übrigens: Das Tor wird als Eigentor von Kobel gewertet, nicht als Tor von Bayerns Dayot Upamecano, weil der nämlich „nur“ einen langen Pass ins Leere geschlagen hatte, ohne Absicht, damit ein Tor zu erzielen! Und weil dann Kobel, das ist Grund zwei, den Ball noch leicht touchierte. Auch das ist Fußball.




Dann geht mir immer noch mal der zweimalige Auftritt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft der Männer durch den Kopf. Ich werde es nicht los, denn ich kann vor allem die erste Halbzeit gegen Belgien (2:3) nicht begreifen – und gebe Euch gleich dreimal ein Beispiel davon, was vorher, und zwar vor Jahren, einmal war:



Weltmeisterschaft 1974:

Deutschland mit: Maier, Vogts, Beckenbauer, Schwarzenbeck, Breitner; Hoeneß, Bonhof, Overath; Grabowski, Gerd Müller, Hölzenbein.


Weltmeisterschaft 1990:

Deutschland mit: Illgner, Berthold, Augenthaler, Kohler, Brehme; Buchwald, Häßler, Matthäus;

Littbarski, Völler, Klinsmann.


Weltmeisterschaft 2014:

Deutschland mit: Neuer, Lahm, Boateng, Hummels, Höwedes; Kramer, Schweinsteiger, Kroos; Müller, Özil, Klose.


Deutschland im Mörz 2023 gegen Belgien mit:

Ter Stegen, Wolf, Kehrer, Ginter, Raum; Goretzka, Kimmich, Wirtz; Gnabry, Füllkrug, Werner.



Erkennt Ihr die Feinheiten? Was ist aus der deutschen Nationalmannschaft geworden? Wie tief sind wir gesunken? Dieser Abstieg, vor allem dieser personelle Abstieg ist doch unglaublich. Und wenn man, ich will Euch das ersparen, dazu noch die bestens besetzten Ersatzbänke sieht, dann wird das alles nur noch mehr dramatischer. Armer deutscher Fußball.



Dann noch ein ganz kurzer Blick auf die Schiedsrichter. An diesem Wochenende gab es wohl kaum einen großen Aufreger – bis vielleicht auf Felix Zwayer beim Spiel Köln gegen Mönchengladbach (0:0), als der Gladbacher Florian Neuhaus im FC-Strafraum vom Kölner Timo Hübers umgetreten wurde, es aber keinen Elfmeterpfiff gab. Den hätte es aber geben müssen! Das war ein Muster-Beispiel, ein geradezu ein Parade-Beispiel für einen Foulelfmeter! Unfassbar. Wobei ja auch feststeht: Ein Elfmeter muss ja noch erst ins Tor gebracht werden. Was nicht automatisch geht, es gibt gelegentlich auch Fehlschüsse vom Punkt. Ansonsten jedoch: Kaum Fehlentscheidungen, und das ist natürlich höchst erfreulich für unsere „Schwarzkittel“. Ich habe in der vergangenen Woche von einem Freund gehört, dass diese auch von mir mitunter arg kritisierten „Jungs“ oftmals gar nicht anders können, als eine umstrittene Entscheidung zu treffen – und zu verteidigen. Weil, so habe ich dabei erfahren, von den allgewaltigen UEFA-Verantwortlichen um Chef Roberto Rosetti (leitete u. a. 2008 das EM-Finale Deutschland – Spanien 0:1) ein kompromissloses, weniger kommunikatives Auftreten der Unparteiischen bei Handspielen und bei Fouls, dafür aber eine strengere Auslegung der Regeln verlangt wird. Diese Vorgaben, so heißt es, widerstreben zwar dem Sinn des Fußballs, müssen von Schiedsrichtern aber konsequent umgesetzt werden, wenn sie international Karriere machen wollen. . . Denn mal los.


Ob Bruno Labbadia beim Tabellenletzten VfB Stuttgart überlebt, ob er bleiben darf oder gehen muss, das steht an diesem Sonntag (an dem ich das schreibe) noch nicht fest. Ich halte nicht sehr viel von den Trainer-Künsten des ehemaligen HSV-Spielers und -Trainers, aber jetzt tut er mir doch irgendwie ein bisschen leid, denn: Die Labbadia-Schwaben spielten in Berlin eine großartige erste Halbzeit, waren besser als Union – und verloren dennoch mit 0:3. Dass nun aber ausgerechnet Markus Gisdol als einer der möglichen Labbadia-Nachfolger ins Gespräch gebracht wurden, ist ein Witz, ein echter Treppenwitz. Oder hing das mit dem 1. April zusammen? Kann auch möglich sein, natürlich.



Zum Schluss noch ein wenig Doppelpass – von und mit Sport1. Da war an diesem Sonntag auch jener Mann zu Gast, den ich für den Abstieg des HSV aus der Ersten Bundesliga (mit-)verantwortlich mache. Den Namen nehme ich nicht mehr in den Mund, schreibe ihn auch nicht mehr. Der Mann ist Geschichte. Für mich. Es war an diesem Sonntag aber auch Hermann Gerland dabei – der „Tiger“. Ein Super-Typ. Ich habe ihn kennen lernen dürfen, als er mal bei einem Länderspiel (in München?) zufällig neben mir saß. Wir haben uns toll unterhalten – und so blieb es dann auch bei den folgenden Jahren und den Aufeinandertreffen, wenn Bayern gegen HSV oder umgekehrt. . . Wir haben uns stets bestens unterhalten und verstanden. Jetzt verriet Gerland, warum er beim FC Bayern nach 25 Jahren (!) von selbst gegangen ist. Es gab atmosphärische Störungen mit Sportvorstand Hasan Salihamidzic. Ein Grund, wahrscheinlich der größte Grund für seinen vorzeitigen Abgang aus München. Hermann Gerland vielsagend: „Es passiert doch öfter mal, dass sich zwei Menschen nicht abkönnen." Klartext aus Bochum! Es gab wohl Probleme bei seiner Arbeit als Bayerns Nachwuchschef. . . Heute ist Hermann Gerland Co-Trainer bei der deutschen U21-Nationalmannschaft. In meinen Augen ein Glücksgriff für jede Mannschaft, wenn sich ein solcher Experte um ein Team und seine Spieler kümmert.

Aber warum denke ich, dass es ja nicht von ungefähr kommt, dass es auch kein Zufall ist, dass er sich ausgerechnet mit Hasan Salihamidzic nicht besonders verstand, um es einmal ganz sanft zu umschreiben!


Eine gute neue Woche für Euch, bleibt gesund,

Dieter Matz











Share by: